Die Scheune (German Edition)
blasse Haut. Der Gedanke, eine Sau könnte ihm doch als Treppe dienen, kam ihm. Er schob eines der Tiere vor das Tor, doch ehe er es überhaupt in die richtige Position bringen konnte, quiekte es laut auf und lief wieder zu den anderen Tieren, die sich ängstlich in eine Ecke drückten. Dane startete einen neuen Versuch, der aber genauso kläglich wie der erste endete. Der ganze Schweinestall grunzte vor Aufregung. Dane war außer sich. Er wollte schreien, aber es kam nur ein lautloses Hecheln aus seinem Mund. Seine Stimme versagte. Er sank wimmernd und besiegt zu Boden. Nur ein kleines Astloch ermöglichte ihm den Blick zu den Geschehnissen, die er nicht mehr in der Lage war zu verhindern.
Sein Vater hatte Kevin bereits entkleidet. Der Kleine schrie jähzornig auf. Ein Schrei, den Dane nur allzugut kannte. Sein Vater öffnete hastig seine Hose. Sein Glied war bereits erigiert und riesig gegen dieses kleine Leben.
Gott hilf mir!, flehte Dane mit innerlicher Stimme, aber da war kein Gott. Er wollte schreien oder Krach machen, etwas was seinen Vater auf ihn lenken würden, doch sein kleiner Leib konnte nur noch zittern. Er wollte wegsehen, doch er sah hin. Dann sah er ein Messer aufblitzen! Ohnmächtig fiel sein kleiner Körper zwischen die Ferkel und Säue. Sie grunzten und beschnupperten ihn neugierig. Seine Ohnmacht war tief und dauerte lange.
Als Dane wieder zu sich kam, war alles ruhig. Vorsichtig riskierte er einen Blick durch das Astloch. Erschrocken sah er die Hosenbeine seines Vaters. Dann spürte er den Griff an seinem Hemdkragen, wie er gepackt und aus dem Schweinestall herausgehoben wurde. Er hörte die Worte seines Vaters: „Wie siehst du denn aus? Du Schwein! Geh, und wasch dich. Mutter hat zum Essen gerufen!“
*
Kevin saß nicht mit am Mittagstisch, seine Mutter auch nicht. Der leere Babystuhl und der leere Holzstuhl seiner Mutter ließen die ganze Szenerie in der Küche erbeben und merkelten Danes Gefühle aus. Sein Vater saß ihm gegenüber. Angeekelt sah Dane zu, wie dieser die Mittagssuppe direkt aus der Schüssel in sich hineinschaufelte.
„Was schaust du so!“, schnaufte ihn sein Vater an. „Mom musste mit Kevin zum Arzt. Er hat Durchfall oder so!“
Dane stockte der Atem! Ihn überkam Übelkeit. Sein Vater schlürfte und rülpste. Dane ließ seinen Löffel laut platschend in seine Suppe fallen. Er hatte keinen Appetit mehr.
„Ich muss auf's Feld“, sagte sein Vater, nachdem er die Schüssel gelehrt hatte und verließ das Haus. Dane blieb zurück – erschüttert saß er auf seinem Stuhl und starrte auf die leere Schüssel seines Vaters. Erst das drängende Gefühl, urinieren zu müssen, holte ihn wieder zurück. Dane rannte so schnell er konnte zur Toilette und erbrach sich dort, während sein Urin in die Hose strömte.
Seine Hose klebte unangenehm zwischen seinen Beinen, als er den Tisch abräumte. Er beschloss, den Rest des Tages auf seinem Zimmer zu verbringen, schlich mit breiten Beinen die Treppe hinauf, vorbei an der Tür des Elternschlafzimmers. Ein leises Wimmern ließ ihn aufhorchen. Die Tür war angelehnt. Stumm riskierte er einen Blick hinein. Er sah, wie seine Mutter im Schaukelstuhl saß und aus dem Fenster starrte. Schniefend hielt sie sich ein Taschentuch vor den Mund. Wie ein Blitz schlug die Lüge seines Vaters in seine Gefühle! Seine Mutter war weder beim Arzt noch hatte sie Kevin bei sich! Nichts war wahr gewesen von dem, was sein Vater gesagt hatte. Dane sah noch einmal auf seine Mutter. Er war nicht einmal mehr in der Lage, sie zu trösten.
Sie sah kurz zu ihm auf, doch dann wandte sich ihr Blick wieder dem Fenster zu. Sie wollte keinen Trost mehr, auch nicht von ihm. Es war der Tag, an dem die liebevollen Lieder am Abend endeten. Seitdem durfte sie ihn nicht mehr berühren.
Dane zog die Türe des Elternschlafzimmers bis zum Anschlag zu und ging ausgebrannt in sein Zimmer. Sein psychisches Fassungsvermögen war dermaßen erschöpft, dass alle weiteren Gefühlsregungen in ihm erloschen.
*
Nachts um eins saß Dane immer noch auf der Fensterbank und starrte auf die Grasbüschel unter seinem Fenster. Seine Hose war inzwischen getrocknet. Ein süßlicher Geruch verteilte sich im Zimmer, aber er roch nichts mehr.
Ein aufgehender Vollmond warf verschleierte Schatten über die Felder. Dane mochte die Geräusche der Nacht. Sie trugen einen Frieden in sich, den er tagsüber nicht finden konnte.
Ein plötzliches Geräusch weckte seine
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