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Die Schicksalsgabe

Die Schicksalsgabe

Titel: Die Schicksalsgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Ekstase versetzt hatte, könnte erneut vor ihr auftauchen, überlief sie ein wohliges Schauern.
    Stattdessen entstand vor ihrem inneren Auge eine urwüchsige Landschaft mit sanften grünen Hügeln und schroffen Felsen; vom ständigen Wind gekrümmte Bäume drängten sich in ihre Vision, und sie sah den Altar aus Kammmuscheln, die schöne Frau in einem fließenden weißen Gewand.
    Das war abermals Gaia, die Ahnin von Sebastianus Gallus.
    Im Geiste ersann Ulrika eine Frage und trug sie vor: »Kannst du mir helfen, Ehrwürdige?«
    »Du bist hochmütig, Tochter«, kam es von Gaia. »Nicht mit Demut im Herzen kommst du an diesen heiligen Ort, sondern um Ekstase und Freude zu erleben. Und du bist ungeduldig und in deinem Handeln unüberlegt. Erinnere dich, wie rücksichtslos du im Rheinland warst, als du die Karawane verließest und dadurch deine Gefährten in Gefahr brachtest.«
    »Das tut mir leid.« Ulrika war verwundert über diese Schelte, musste sich dann aber eingestehen, dass sie die Wahrheit traf. »Ich möchte doch nur begreifen, was es mit dieser Schicksalsgabe auf sich hat. Was bedeutet es, Mittlerin zu sein? Was habe ich damit zu tun? Und wo liegt Shalamandar?«
    »So viele Fragen, die du dir anmaßt. Du möchtest, dass dir alles in den Schoß fällt, ohne die geringste Anstrengung deinerseits. Bezwinge deine Schwächen, Tochter. Verwandle sie in Stärke, dann wird deine geistige Kraft zunehmen.«
    »Wie soll ich das denn anstellen?«
    »Du brauchst Anleitung, du musst lernen.«
    »Aber ich habe gelernt. Ich mache alles richtig.«
    »O nein, du bist noch nicht so weit. Du hast noch längst nicht alles gelernt, was du wissen musst.«
    »Aber von wem soll ich lernen?«, begehrte es in Ulrika auf. »Es führt zu nichts, mir selbst etwas beibringen zu wollen!«
    Die schimmernde galicische Landschaft wurde unscharf. Ulrika sah jetzt Palmen und Sterne. Und wieder einmal Sebastianus, der auf sie zukam. »Gaia!«, rief sie. »Bitte komm zurück.«
    Ulrika befand sich wieder in Antiochia, in der warmen Taverne, bis auch sie verschwamm und der Höhle des Schamanen im Rheinland Platz machte.
    Ich kann meine Visionen nicht steuern …
    Sie beschwor erneut die innere Flamme, mäßigte ihren Atem, nahm nochmals den Gesang auf, aber die Visionen schwanden, das Seelenfeuer verlor an Helligkeit. Als sie schließlich die Hände vom Gesicht nahm, stellte sie fest, dass die Sonne bereits den westlichen Horizont streifte und dass sie selbst seitlich zusammengesunken im Sand lag.
    Sie war eingeschlafen!
    Gaia hatte recht, dachte sie enttäuscht. Ich bin mit hochmütigem Herzen hergekommen und habe mir eingebildet, meine Gedanken beherrschen und so wie Rachel meditieren zu können. In Wahrheit habe ich noch immer keine Kontrolle über mich. Meine Gabe ist noch längst nicht voll entwickelt.
    Als sie sich erhob und auf den Stock stützte, tröstete sie der Gedanke, dass, auch wenn sie keine klaren Antworten erhalten hatte, eine Veränderung eingetreten war: Die Vision von Gaia hatte sich nicht ungebeten vollzogen. Ulrika war es gewesen, die sie heraufbeschworen hatte –
sie
hatte die Zeit sowie den Ort bestimmt.
    Dies war, wie ihr bewusst wurde, der erste Schritt, ihre Gabe zu steuern. Von nun an musste sie stetig daran arbeiten, ihre geistigen Kräfte zu entwickeln und zu verfeinern.

18
    Ulrikas Knöchel war ausgeheilt. Es war an der Zeit, Abschied zu nehmen. Eine kleine Karawane, die Wein mit sich führte, hatte in der Oase haltgemacht, und der Anführer hatte sich bereiterklärt, Ulrika bis Petra mitzunehmen, das im Süden lag, an der Kreuzung von zwei wichtigen Handelsrouten. Dort würde sie bestimmt einen Tross finden, der sie in Richtung Osten, nach Babylon, mitnahm.
    Rachel und Almah begleiteten sie zur Oase. Dort angekommen, wischte sich Almah Tränen aus den Augen und umarmte Ulrika mütterlich.
    Anschließend wandte sich Ulrika Rachel zu, ihrer neuen Freundin. »Ich habe ein Geschenk für dich.«
    »Was von all dem, auf das du verzichtet hast, fehlt dir am meisten?«, hatte sie Rachel im Laufe einer der ersten Nächte im Lager gefragt, worauf Rachel kurz überlegt und dann geantwortet hatte: »Parfüm.«
    Deshalb öffnete Ulrika jetzt ihren Medizinkasten und holte ein mit Wachs zugepfropftes Fläschchen heraus. Eine ägyptische Hieroglyphe zeugte von dem kostbaren Inhalt. »Das ist Lilienöl«, sagte sie und drückte Rachel die Phiole in die Hand. »Es besänftigt das aufgewühlte Herz.«
    Rachel wiederum hängte Ulrika

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