Die Schicksalsgabe
dafür, dass Primo unverzüglich herkommt.« Damit wandte er sich seinem Zelt zu, in Gedanken bereits bei dem Brief, den er an Ulrika schreiben und bei dem Stationsmeister des Sammelplatzes zu treuen Händen zurücklassen wollte.
Auf der anderen Seite des Flusses, in der Weststadt und dort im Schatten des Shamash-Tempels lehnte sich Primo, ausgemusterter Legionär, Erster Verwalter der Gallus-Villa in Rom und jetzt Zweiter Befehlshaber der China-Karawane seines Meisters, zurück und ließ sich von einer Hure seinen erigierten Penis massieren. Seine Gedanken waren nicht auf die Frau und ihr wollüstiges Tun gerichtet, sondern auf die lange Reise, die vor ihm und seinen speziell ausgebildeten Männern lag. Und worum er sich heute noch zu kümmern hatte: um Proviant, Waffen, Dienstplan.
Wortlos und getreu seinen Anweisungen »Nicht sprechen« hockte sich das Freudenmädchen rittlings auf ihn. Primo konnte sich nur mit einer Frau einlassen, wenn sie namenlos war – und selbst dann geschah es nur, um sein körperliches Verlangen zu befriedigen.
Während er sich dem Freudenmädchen überließ, kam er zu dem Schluss, dass sein bester Bogenschütze, ein Bithyniner namens Zipoites, wohl der Richtige war, Erkundigungen entlang des Weges einzuholen – kräftig gebaut, wie er war, würde er im Gewand eines Kaufmanns gut genährt wirken, niemand würde vermuten, wie stark oder kampferfahren er war. Ja, Zipoites wäre derjenige, den er, Primo, zu den Siedlungen entlang des Weges vorausschicken würde, damit er in Tavernen mit Einheimischen ins Gespräch kam. Außerdem vertrug Zipoites Unmengen von Wein, ohne wie andere ins Plappern zu geraten. Er verstand sich darauf, seinem Gegenüber Informationen aus …
»Ung«
, entrang es sich seiner Kehle. Er stöhnte auf, als er den Höhepunkt erreichte, und blieb dann eine Weile bewegungslos liegen, während die Hure wortlos von ihm herunterstieg und sich einen Umhang überwarf, um ihre Blöße zu bedecken. Draußen herrschte die übliche Geschäftigkeit; in den von Lärm erfüllten Gassen eilten die Bewohner der Stadt hin und her, gingen ihrem Tagwerk nach, mit all ihren Ängsten, Hoffnungen und Sehnsüchten. Es galt, Vorbereitungen für die Feiern zur Sommersonnenwende nächste Woche zu treffen und sich gleichzeitig für die heiße und staubige Jahreszeit zu wappnen. Die vielen, die keine Arbeit hatten, dachten an Nahrungsmittel und an die Götter.
Primo scherte sich nicht um diese Stadt oder ihre Bewohner. Ihm oblag es, dafür zu sorgen, dass sein Herr, Sebastianus Gallus, wohlbehalten China erreichte und dass ihre diplomatische Mission erfolgreich sein würde.
Und dann war da noch der
Geheimauftrag
, den Kaiser Nero persönlich befohlen hatte …
Als er seine Kleider wieder anlegte – weiße Tunika, lederner Brustharnisch, bis zum Knie geschnürte Sandalen –, spuckte er auf den Boden. Er wünschte sich, Nero hätte ihn nicht in den Kreis seiner Spione aufgenommen. Dennoch würde er dem Befehl Folge leisten. Mochte auch seine Loyalität seinem Arbeitgeber gelten, dem Mann, der ihn davor bewahrt hatte, sein Leben als Bettler auf der Straße zu fristen, so zwang ihn eine höhere Verpflichtung, die des Soldaten nämlich, Kaiser und Reich gegenüber weiterhin Gefolgschaft zu leisten. Auch wenn er dadurch den Mann, den er so schätzte, hinterging.
Bevor er ging, griff er in den Lederbeutel an seinem Gürtel, in dem er ein paar Münzen und seinen Glücksbringer aufbewahrte, eine Pfeilspitze aus Bronze, die ihm ein Militärarzt aus der Brust entfernt hatte, nicht ohne darauf hinzuweisen, Primo dürfe sich glücklich preisen, der germanische Pfeil habe um Haaresbreite sein Herz verfehlt. Primo zog eine Münze heraus und schmiss sie der Hure hin, die, als sie das Abbild eines Cäsaren darauf erkannte, zufrieden war. Ihr Gesicht würdigte Primo keines Blickes. Die Freudenmädchen sahen ja auch niemals
seines
an.
Als er die Straße der Dirnen entlangging, wurde ihm bewusst, dass er neuerdings zusehends von bezahlten Frauen, die seinem Gefühlsleben nicht viel zu bieten hatten, Abstand nahm. Körperlich befriedigten sie ihn durchaus – Primo hatte keine Schwierigkeiten, eine Erektion oder einen Orgasmus zu bekommen. Aber in Hochstimmung verließ er Hurenhäuser zusehends seltener.
Unwillkürlich musste er an eine Frau denken, der er vor langer Zeit begegnet war – die einzige Frau, der er sein Herz geschenkt hatte.
Er war mit seinem Regiment durch ein kleines,
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