Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Schicksalsleserin

Titel: Die Schicksalsleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
Vom Netzwerk:
murmelte sie dabei immer wieder. Sein ganzes Gesicht
war geschwollen und an manchen Stellen aufgeplatzt. Er lächelte trotz der Schmerzen. »So hat es doch einen Sinn, dass ich nicht geflohen bin.«
    Nach einer Weile konnte er mit Hilfe auf sein Lager im Zelt zurückkehren. Ein Soldat brachte frisches Leinen und heißes Wasser, um die Wunden zu pflegen, doch Anna nahm ihm die Arbeit aus der Hand.
    Schließlich brachte eine der Wachen Christoph wortlos den Kopf Seyfeddins. »Herr Mehmed sendet Entschuldigung«, sagte er dazu und ging wieder.
    »Er hat ihn für Euch getötet«, murmelte Anna erstaunt. »Seinen eigenen Landsmann!«
    »Nein«, hustete Christoph. »Ich glaube, er hat ihn für seinen eigenen Ruf getötet. Ich verstehe die Osmanen selbst noch nicht so genau, aber Ihr gehört Mehmed. Ein Mann verteidigt seinen Besitz oder er verliert den Respekt der anderen. Und der Sultan hätte Seyfeddin nach dem Kampf sowieso hinrichten lassen. Süleyman hat mich unter seinen Schutz gestellt - wer dagegen verstößt, ist des Todes.«
    »Ihr kennt diese Osmanen inzwischen recht gut, oder?«
    »Ich habe viel mit dem Sultan über diese Dinge gesprochen. Diese Männer haben Stolz und Ehre. Wir verstehen nur nicht immer gleich, wie diese Ehre aussieht.«
    Anna war froh, dass Seyfeddin tot war. Als sie die Kinder wieder zu Bett gebracht und sich neben ihnen in die Kissen gelegt hatte, da konnte sie die Augen zum ersten Mal wieder beruhigt schließen. Jetzt fühlte sie sich ein kleines bisschen sicherer im Lager der Türken. Aber wie lange noch?
    Die Mutter zog Fritzl an sich und strich ihm durch das Haar. Sie sog seinen Geruch ein und drückte ihm einen sanften Kuss auf den Scheitel. Der mutige kleine Bub hatte ihr das Leben gerettet.

KAPITEL 20
    W as hast du jenseits der Mauern gemacht, Madelin?«, fragte Lucas. Er hatte nicht glauben wollen, was der Hispanier ihm berichtet hatte - dass er nämlich Madelin durch einen geheimen Gang unterhalb der Mauer aus der Stadt heraus und wieder hinein hatte schlüpfen sehen. Der Mann, Carlos, hatte sofort eine Spionin gewittert und sie verhaftet, wie es die Vorschriften Graf Salms vorsahen.
    Am Morgen des neunten Oktober hatte ein wütender Pernfuß nach Lucas schicken lassen. »Die Frau hat dich als Leumund angegeben, Steinkober! Was soll das alles? Soll ich euch zusammen an den Pranger stellen?«, hatte der Stadtrichter gewettert. So war Lucas schon früh morgens zu den Zellen der Schranne hinuntergestiegen, um nach Madelin zu sehen und die Wahrheit herauszufinden.
    »Ich habe einen Mann treffen wollen, der mehr über das Verschwinden meiner Schwester weiß«, sagte Madelin. »Ich habe erfahren, dass der Trupp überfallen worden ist. Graf Hardegg muss das wissen.« Sie saß zitternd vor Kälte auf dem Strohlager und hatte die Arme um die Knie geschlungen.
    Sie frieren und in dem kahlen Kerker sitzen zu sehen, schmerzte ihn. Wahrscheinlich hatte sie schreckliche Angst. Lucas wollte nichts sehnlicher, als seinen Mantel um sie zu legen und sie in den Arm zu nehmen. Doch irgendetwas hielt ihn zurück. »Warum hast du mich nicht um Hilfe gebeten?«, fragte er leise.
    Sie sah vom Boden auf und begegnete seinem Blick zögernd. Überlegte sie, was sie ihm anvertrauen konnte? Er verdrängte
diesen Gedanken wieder. »Alles ging drunter und drüber«, murmelte sie. »Ich weiß nicht, warum, Lucas. Ich glaub, ich hatte Angst, dass du es mir ausreden willst.«
    »Das hätte ich auch getan«, erwiderte der Student. »Der Gang zum Henkersmann … und dann vor die Mauern! Das war eine rechte Dummheit!«
    »Ich weiß. Aber ich konnte nicht anders. Du tust ja gerade so, als hättest du noch nie etwas falsch gemacht.«
    Sie hatte Recht. Lucas erinnerte sich plötzlich daran, wie er selbst wegen Ansässers Tod in dieser Kerkerzelle der Schranne gesessen hatte. Er war wirklich nicht der Richtige, um den ersten Stein zu werfen. »Es tut mir leid«, sagte er und meinte es ehrlich. »Du bist mir keine Rechenschaft schuldig. Aber allein der Gedanke daran, welcher Gefahr du dich ausgesetzt hast … Wenn dich jemand verletzt hätte …« Lucas beendete den Satz nicht, denn seine Kehle zog sich zusammen. Er schluckte schwer und räusperte sich.
    »Dann weißt du, wie es mir mit Anna ging«, flüsterte sie.
    Er nickte. »Hattest du wenigstens Erfolg?«
    Madelin presste die Lippen aufeinander und schüttelte den Kopf. Das bedeutete wohl, dass sie nicht wusste, was aus ihrer Schwester geworden war. Er konnte

Weitere Kostenlose Bücher