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Die Schicksalsleserin

Titel: Die Schicksalsleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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sie eher verdrossen als erfreut. »Was machst du denn hier?«
    Die Wahrsagerin trat in den Raum und blinzelte. »Frau Mutter. Hat Euch Girte nicht davon erzählt, dass ich vor zehn Tagen schon einmal hier war?«
    »Sicher. Das dumme Mädchen hat dich von der Schwelle gekehrt, wie sie mir berichtet hat. Ich habe sie schlagen lassen.«
    Madelin glaubte ihr kein Wort. Doch das war jetzt nicht wichtig.
    »Ich war froh, dich wieder in der Stadt zu wissen«, sprach
die Mutter nun. »Auch wenn du dir einen besseren Zeitpunkt für einen Besuch in der Heimat hättest aussuchen können.«
    »Wäre es nach mir gegangen, ich wäre gar nicht wiedergekommen«, erwiderte Madelin. »Aber ein Freund war in Not.«
    »Es braucht also einen Freund in Not, um dich mit deiner Familie zu vereinen?«, fragte die Mutter und legte die Stirn in Falten. »Wir haben uns sechs Jahre lang Sorgen gemacht.«
    »Es ging mir gut«, murmelte Madelin mit rauer Stimme. Sie wünschte sich, die Worte der Mutter wären wahr, doch es konnte für sie kaum mehr als eine Verpflichtung gewesen sein, sich jährlich nach der geflohenen Tochter zu erkundigen.
    »Dann ist ja alles in Ordnung«, schloss Elisabeth von Schaunburg knapp. »Warum bist du hier?«
    Madelin hatte vergessen, wie kühl die Mutter stets gewesen war. Sie wusste nicht, welchen Empfang sie erwartet hatte, doch momentan fühlte sich die Entfernung zu ihr größer an als damals, als sie durch Nürnberg oder Prag gezogen und sich nach Hause gewünscht hatte. Die junge Frau schluckte ihre Enttäuschung hinunter. Es galt, ehrliche Antworten auf ihre Fragen zu bekommen. Leider konnte man selten unterscheiden, ob Elisabeth von Schaunburg log, etwas verschwieg oder die Wahrheit sagte. Doch Madelin hatte keine Lust mehr auf die Spielchen ihrer Mutter.
    »Der Mann - der Aussätzige mit der rauen Stimme -, er ist Euer Handlanger, nicht wahr?«
    Nur ein klitzekleines Weiten der Augen ihrer Mutter verriet ihr, dass sie mit ihrer Erinnerung richtiglag. Noch bevor diese zu einer Antwort ansetzen konnte, fuhr Madelin fort. »Woher wusste er von Anna? Standet Ihr durch ihn in Kontakt mit dem Janitscharen?«
    Die Mutter senkte den Blick und antwortete nicht.

    »Es hat keinen Zweck, es mir verheimlichen zu wollen«, erwiderte Madelin ärgerlich. »Ich bin kein dummes Kind mehr.«
    »Nein, das bist du nicht«, Elisabeth von Schaunburg sah auf, die harten Augen ernst auf sie gerichtet. »Als ich Ludo - den Aussätzigen - mit Mehmed Kontakt aufnehmen ließ, erfuhr er, dass Anna in all diesem Chaos bei ihm gelandet war. Das allein ist schon ein kleines Wunder.«
    »Und dann habt Ihr beschlossen, das zu nutzen, um mir das Trionfi-Spiel abzunehmen«, mutmaßte Madelin. »Graf Hardegg hat die Karte in der Bibliothek wirklich bloß ausgeliehen, oder?«
    Die Mutter sah sie so erstaunt an, dass die Tochter es nicht für gespielt hielt. »Graf zu Hardegg hat … Er hat die Karte ausgeliehen?« Es war, als würden die Mühlräder hinter ihrer Stirn beginnen, sich zu drehen. »Sicher für den Befehlsstab. Du hattest ihn im Verdacht?«
    »Ich … Ja.«
    »Du konntest ihn nie leiden«, erwiderte Elisabeth tadelnd. »Aber das beruht wohl auf Gegenseitigkeit.«
    »Vermutlich«, murmelte Madelin. Doch sie war nicht gekommen, um über den Grafen zu sprechen. »Ihr habt die Karten bei Meister Woffenberger anfertigen lassen, nicht wahr?«, fragte sie leise.
    »Das habe ich.«
    »Aber das muss mehr als eine Woche vor der Belagerung gewesen sein - vielleicht gar zwei! Wenn Ihr sagt, dass Mehmed erst während der Belagerung Kontakt mit Euch aufgenommen hat …«
    » Ich plane mein Leben voraus.«
    Die Spitze gegen ihren eigenen Lebensstil entging Madelin nicht. »Und Ihr habt Woffenberger durch Euren Schläger töten lassen, als er das Spiel nicht mehr besaß und Euch verraten konnte.«

    Es gelang ihr nicht, in den unnahbaren Augen Elisabeths etwas zu lesen. Madelin schwieg. Doch sie musste von der Mutter keine Bestätigung hören, um zu wissen, dass ihre Annahme stimmte. Sie runzelte die Stirn. »Warum? Wie kommt Ihr dazu …«
    Das Weinen eines Kindes unterbrach die Wahrsagerin mitten im Satz. Es war aus der Schlafkammer der Mutter gekommen, die von der Bibliothek nur durch eine Tür getrennt war. Madelin drehte sich ungläubig um. »Ist das …« Sie wartete die Antwort nicht ab. Sie lief hinüber und riss die Tür auf. In der Kammer saß Anna, ihre Halbschwester, im Bett der Mutter. Neben ihr lagen die kleine Elisabeth und der Junge

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