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Die Schicksalsleserin

Titel: Die Schicksalsleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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bloß noch eine dicke hölzerne Kellerwand voneinander trennen. Man konnte mindestens zwei, eher drei Stimmen voneinander unterscheiden. Sie klangen angestrengt.
    Lucas tauschte mit Georg Hofer einen beunruhigten Blick, dann robbte er zurück und holte seine Arkebuse. Als er Hofer fragend ansah und dieser zögerlich nickte, entzündete Lucas die Lunte an der Kerzenlaterne. Doch als er wieder aufsah, bewegte Hofer mahnend den Zeigefinger hin und her. Der Student verstand, er sollte nicht einfach abdrücken. Sie mussten erst wissen, wie viele Männer dort waren.
    Lucas war kaum mit dem Bereitmachen der Waffe fertig, da rieselte auf ihrer Seite des Gangstückes Erde herab - die Männer
auf der anderen Seite trugen offensichtlich ganz nah die Erdschicht ab. Der Durchbruch würde bald erfolgen! Hofer hatte die Geistesgegenwart, sich an die Wand neben dem Loch zu pressen und seine Laterne auszublasen, Lucas schüttete die Erde aus dem Sack über sein Licht. Es wurde dunkel.
    Noch bevor der Student sich versah, brach ein großes Loch in der Wand auf, und Licht drang zu ihnen herein. Eine Schaufel ragte aus der Wand. Dann verdunkelte sich die Öffnung. Offenbar schaute jemand herein.
    Lucas legte die Arkebuse an, zielte nur grob und zog den Abzug. Der Schuss zerriss die unterirdische Stille mit lautem Krachen.
    Ein Schmerzenschrei, gefolgt von Rufen und dem Klirren von Metall - die Osmanen zogen ihre Säbel. Lucas sprang auf, wagte einen Blick durch die Öffnung und ließ sich dann zurück gegen die Wand fallen. Er hatte ein Fass gesehen, das vermutlich mit Pulver gefüllt war. Das Herz hämmerte ihm hart in der Brust. Er hatte mächtig Glück gehabt, dass er sie mit dem Schuss in das Fass nicht alle in die Luft gejagt hatte! Dann verlöschte auch auf der anderen Seite das Licht.
    Lucas zog sein Schwert, um sich zu verteidigen, denn er hörte den Feind in der Dunkelheit näher kommen. Entsetzt sah er, dass auf ihrer Seite noch ein matter Schein die Orientierung erleichterte. Die Lunte seiner Arkebuse glühte noch! Hastig trampelte er das Ende fest in die Erde.
    Die Finsternis wurde so vollständig, dass Lucas ein paar Augenblicke brauchte, um zu bemerken, dass die geisterhafte Helligkeit, die er sah, ihm seine Augen nur vorgaukelten. Danach legte sich die Schwärze um ihn wie ein Tuch. Er fühlte, wie sein Atem schneller ging, wie sein Herz begann, zu galoppieren. Es war nicht nur die Enge der Gänge, die ihn lähmte, sondern die absolute Dunkelheit dieser Räume, gepaart mit
dem Wissen, dass er nicht fliehen konnte, sondern an diesen schmalen Fleck in der Erde gebunden war. Wenn ihn niemand fand, war er dazu verdammt, sich zu verirren und hier zu sterben.
    Lucas schwitzte. Er versuchte, die Kühle in sich hineinzurufen, die er nutzte, wenn er mit einem Magister von der Universität vor einem Todkranken stand. Er würde diese verfluchten Gänge verlassen, das schwor er sich!
    Die Schritte der Osmanen auf dem erdigen Boden waren kaum vernehmbar. Manchmal keuchte einer laut auf. Die Luft war jetzt, da ein Durchbruch vorhanden war, mit einem leichten Zug versehen. Weiter hinten wimmerte der Verwundete, der Lucas’ Kugel abbekommen haben musste. Offenbar handelte es sich auf der Gegenseite um mindestens drei Türken.
    Eine hastige Bewegung, ein Keuchen, und Lucas hörte, wie sich rechts von ihm Stahl in die Erde bohrte. Er dachte nicht mehr nach, sondern reagierte einfach. Er griff das Schwert fester und stach damit fest in die Richtung zu, in der er den Angreifer vermutete.
    Ein leichter Widerstand, dann glitt die Klinge tiefer, begleitet von einem Schrei. Er hatte jemanden getroffen! Lucas betete, dass es sich dabei nicht um Hofer handelte, der seine Position verändert hatte. Doch das war offenbar nicht der Fall, denn auch von einer anderen Stelle drangen hastige Bewegungen, Keuchen und Schmerzenslaute an sein Ohr. Lucas spürte einen Luftzug und schnellte herum - was auch immer da kam, es war nichts Gutes.
    Heißer Schmerz fuhr ihm auf einmal von Schulter und Oberarm beinahe bis zum Ellenbogen hinunter. Er schrie auf und jagte die Klinge voran. Wieder rammte die Spitze seines Schwertes etwas Weiches. Er drückte fester zu, bis er auf harten Widerstand traf. Warmes Blut lief ihm über die Finger.

    Lucas drehte die Klinge, um sie aus dem Körper zu befreien, und zog mit aller Kraft daran. So leicht, wie die Spitze durch die Haut gedrungen war, so schwer war der Stahl nun wieder aus dem Körper zu ziehen. Doch es gelang ihm,

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