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Die Schicksalsleserin

Titel: Die Schicksalsleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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von Metallresten eingerichtet waren. Das Fenster war klein und ließ nicht viel Sonne herein, da darüber zudem ein niedriges Holzdach angebracht war. Der dunkle Holzboden zeugte von Abnutzung, war aber sauber gekehrt und wies verschiedene Brandstellen auf. Insgesamt stellte die Kammer mit Wandmalereien und Schnitzereien an den Türrahmen den Wohlstand des Paares zur Schau.
    In der Werkstatt standen keine Stühle, sondern nur niedrige Hocker an den Werkbänken. Alles wirkte, als könne es jederzeit
benutzt werden, nichts war gepackt. Anna blieb in der Mitte des Raumes stehen.
    »Anna.« Es war ungewohnt, den Namen auszusprechen. »Es ist lange her.«
    »Meryem«, erwiderte die Schwester. Madelin hatte ihren Taufnamen seit Jahren nicht gehört - nicht einmal aus Annas Mund. Die Mutter hatte sie Madelin - also Mädchen - genannt, so lange sie denken konnte, und Anna und der Rest der Welt hatten es ihr gleichgetan. »Was tust’ hier?«
    »Ich - ich wollte dich besuchen.«
    Anna entspannte sich ein wenig und strich das schwarze Kleid glatt. »Da hast’ dir einen schlechten Zeitpunkt ausgewählt«, sagte sie. »Die Landsknechte Graf Salms haben mich schon zweimal aufgefordert, die Vorstadt zu verlassen.«
    »Ich habe die letzten abfahrenden Karren gesehen. Ist es denn so schlimm?«
    »Ich weiß nicht. Man erfährt ja nichts. Außer dass ständig Männer kommen, die uns die Häuser nehmen wollen.«
    Madelin dachte an die leeren Vorstädte. »Und du hast noch nicht einmal gepackt?«
    »Nein. Erst die außerordentliche Kriegssteuer. Dann bessern sie die Vorstadtumzäumung aus. Und nun leeren sie alle Viertel, scheuchen jeden weg, der sich einschüchtern lässt. Die wissen doch selbst nicht, was sie wollen. Ich bleib’ hier.«
    »Warum denn bloß? In der Innenstadt ist es doch bestimmt viel sicherer!«
    Anna blickte auf ein Wandgemälde. »In der Innenstadt dürfen wir nicht bleiben, die Leute dort sind auch fast alle weg. Ich müsste die Donau hoch fliehen, gen Krems, so wie der Erzherzog mit seiner Familie.« Sie schüttelte entschlossen den Kopf. »Dies Haus ist alles, was ich habe. Und Wien ist meine Heimat.«

    »Aber wenn es doch gefährlich sein soll, was bringt dir dann die Heimat …«
    »Ich bleibe!«, unterbrach Anna sie scharf. Sie schob entschlossen das Kinn vor. »Heimat bleibt Heimat, Madelin! Manchen Leuten bedeutet das Wort etwas. So wie Familie .«
    »Du weißt gar nicht, ob mir Familie etwas bedeutet oder nicht«, sagte Madelin verletzt, doch dann zügelte sie sich. Sie war nicht gekommen, um sich mit Anna zu streiten, wie sie es früher oft genug getan hatten. Sie wandte sich ab, um sich zu beruhigen. Dabei fiel ihr Blick auf die Wandmalerei, die die Schwester eben kurz betrachtet hatte.
    Madelin dachte, sie sähe in einen Wald. Die Malerei war so geschickt angebracht, dass man viele Lagen von Blättern und Bäumen erkennen konnte. Auf einer kleinen Lichtung in der Mitte saß ein Paar, ein Mann und eine Frau. Auf dem Schoß der Frau hockte ein nacktes Neugeborenes, daneben stand ein Kind mit aufgeweckten Augen. Das Wandgemälde zeigte Friedrich und Anna mit zwei Kindern. Ihren Kindern.
    »Ihr habt Kinder?«
    »Ja, wir haben Kinder. Zwei.« Die Schwester verschränkte die Arme vor der Brust.
    »Und?«, fragte Madelin nach einer weiteren Pause. »Geht es euch gut, so miteinander, in diesem Haus?«
    »Uns geht es wunderbar, ja«, erwiderte Anna einsilbig.
    »Und Friedrich, dein Gemahl? Wo ist der? Hat er die Werkstatt schon geschlossen, wegen der Osmanen?«
    »Geschäfte laufen schlecht im Krieg.« Anna wirkte abweisend, geradezu feindselig.
    »Ist Friedrich bald wieder da?«, fragte Madelin. Sie wollte dieses Haus so schnell wie möglich wieder verlassen.
    Ein bitterer Zug umspielte Annas Mund. »Willst’ ihm wieder schöne Augen machen?«

    »W-was?«, fragte Madelin verblüfft.
    »Das hast du damals doch getan - am Tage meiner Hochzeit! Du wolltest mir den Gemahl wegnehmen! Oder nicht?« Anna starrte sie anklagend an. Konnte eine Wunde, die bei Madelin bereits fest verkrustet war, bei Anna noch so frisch sein?
    »Ich wollte dir den Gemahl nicht wegnehmen, Anna«, beteuerte sie. »Friedrich Ebenrieder kam in Mutters Haus, und ich bin nun einmal die Ältere, und …«
    »Und dann dachtest du, er stünde dir zu, wie?« Annas Stimme wurde schrill.
    Madelin fühlte in sich wieder die Wut von damals aufsteigen. Sie erinnerte sich an die Eifersucht, dass Friedrich Anna bevorzugt hatte, fühlte den Schmerz der

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