Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«
Unvorsichtigkeit schuldig zu machen. Die Maschine hatte den nötigen Impuls bekommen und konnte schon einige Zeit allein in Gang bleiben.
Zwei Tage nach Karrolys Rückkehr wollte er endlich fortgehen, als ein Zwischenfall ihn wieder zum Bleiben nötigte. Eines Morgens drang ein heftiger Wortwechsel an sein Ohr. Er eilte nach der Richtung der streitenden Stimmen; da erblickte er ungefähr hundert Frauen, welche vor einer aus starken Bohlen errichteten Barriere, die den Weg versperrte, laut zankten. Der Kawdjer konnte nicht gleich verstehen, worum es sich handelte. Diese Barriere grenzte die Behausung Pattersons ab, aber es schien ihm, als wäre sie weiter vorgeschoben worden, seitdem er sie zum letzten Mal gesehen.
Er wurde bald von allem in Kenntnis gesetzt. Patterson, welcher sich seit dem Frühling mit Gemüsekulturen beschäftigte, hatte sein Mühen mit Erfolg belohnt gesehen. Der unermüdliche Arbeiter hatte eine reiche Ernte erzielt und seit dem Sturze Beauvals bezogen die Bewohner von Liberia bei ihm ihren Bedarf an frischen Gemüsen.
Er dankte seinen Erfolg größtenteils dem günstigen Platz, den er ausgewählt hatte. Sein Haus lag am Ufer des Flusses; Wasser und Feuchtigkeit gab es da im Überfluß. Und diese bevorzugte Lage war Ursache der gegenwärtigen Aufregung.
Die Kulturen Pattersons, die sich in einer Länge von zwei-bis dreihundert Metern erstreckten, breiteten sich über die einzige Stelle aus, wo der Fluß in der nächsten Nähe Liberias zugänglich war. Stromabwärts zog sich längs des rechten Ufers ein Sumpf hin, welcher nicht passierbar war und den Zugang zum Flusse untersagte bis hinauf zur Brücke, die fünfzehnhundert Meter davon entfernt im Westen lag. Stromaufwärts stieg das Ufer steil und hoch aus dem reißenden Flusse auf.
Die Hausfrauen von Liberia mußten daher immer durch Pattersons Garten gehen, um zum Flusse zu gelangen, wo sie das für ihren Bedarf nötige Wasser holten. Deshalb hatte der Eigentümer des Gartens bis jetzt in der Umzäunung, die seinen Besitz umgrenzte, einen Durchgang gelassen. Aber schließlich hatte er überlegt, daß diese ununterbrochene Benützung seines Eigentums seinen Rechten zuwiderlief und ihm vielfachen Schaden verursachte. Während der letzten Nacht hatte er daher mit Hilfe Longs den Eingang fest verrammelt und das war der Grund zur Enttäuschung und dem Zorn der Hausfrauen, welche am frühen Morgen Wasser holen wollten.
Als der Kawdjer erschien, beruhigten sich die Gemüter und der Fall wurde ihm vorgelegt. Er hörte erst alle Gründe für und wider geduldig an, dann sprach er das Urteil. Zur allgemeinen Überraschung fiel es zugunsten Pattersons aus.
Der Kawdjer bestimmte nämlich, daß die Schranken augenblicklich fallen und ein Weg von zwanzig Meter Breite für den allgemeinen Verkehr freigelassen werden müßte; aber er erkannte auch die Rechte Pattersons an und erklärte, daß dieser für jenen Teil seines Gartens, den er im Interesse der Allgemeinheit abtrat, schadlos gehalten werden müsse.
Die Höhe der Entschädigungssumme sollte in aller Form bestimmt werden. Es gab ja Richter auf der Insel Hoste. Patterson sollte sich an diese wenden.
Die Angelegenheit wurde noch am selben Tage verhandelt; es war das erste Rechtsverfahren, das Beauval leitete. Nach längerer Debatte verurteilte er den hostelischen Staat zu einer Entschädigungssumme in der Höhe von fünfzig Dollars. Diese Summe wurde dem Irländer sofort eingehändigt, welcher seine lebhafte Befriedigung nicht zu verbergen suchte.
Der Vorfall wurde verschieden beurteilt; im allgemeinen war man zufrieden mit der Lösung der Streitfrage. Man hatte das Gefühl, als ob von nun an niemand mehr übervorteilt oder seines Eigentumes beraubt werden könne, und das allgemeine Vertrauen wuchs. Das hatte der Kawdjer gewollt.
Nun konnte er endlich seine längst geplante Reise antreten. Drei Wochen lang durchstreifte er die Insel nach allen Richtungen hin bis zu ihren nordwestlichen Ausläufern, bis zu ihren östlichsten Halbinseln Dumas und Pasteur. Er besuchte der Reihe nach, ohne eine zu umgehen, alle Niederlassungen, sowohl die im Laufe des letzten Winters freiwillig verlassenen als diejenigen, deren Besitzer bei Ausbruch der Meuterei von der Bande der Plünderer vertrieben worden waren.
Diese Untersuchung hatte das Schlußergebnis zur Folge, daß einhunderteinundsechzig Kolonisten, welche zweiundvierzig Familien bildeten, noch im Inneren der Insel lebten. Diese zweiundvierzig Familien
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