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Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Titel: Die Schiffbrüchigen des »Jonathan« Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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diese stumme Huldigung nicht ungern zu sehen. Die jungen Leute sprachen nicht. Nach der eben überstandenen Aufregung ließen sie ihre Herzen sich leise sanfteren Regungen öffnen.
    Der Kawdjer lächelte.
    »Halg!« sagte er halblaut.
    Der junge Mann schrak zusammen und ging aus dem Zelt, ohne ein Wort zu sprechen; schweigend setzten die vier Männer ihren Weg fort, jeder war mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Der Kawdjer überdachte mit gefurchter Stirne das eben Gehörte und Gesehene. Den besten Dienst konnte man den beiden Frauen damit leisten, indem man ihrem Peiniger den Alkohol entzog. War diese Idee ausführbar? Gewiß! und ohne große Schwierigkeit, denn der Alkohol war unbekannt auf der Insel Hoste, außer demjenigen, den der »Jonathan« mitgeführt hatte und der mit der übrigen Ladung auf dem Strande aufgestapelt war. Es würde genügen, eine oder zwei Wachen dabei aufzustellen… Gut! Aber wer sollte diese Wachen hinbeordern? Wer durfte Befehle erteilen und Vorschriften aufstellen? Wer konnte sich das Recht anmaßen, die Freiheit von seinesgleichen in irgendeiner Weise zu beschränken und seinen Willen dem ihrigen vorzuschreiben? Das hieße, den Herrn spielen wollen, und es gab keinen Herrn auf der Fusel Hoste.
    Aber das war ja Unsinn! Natürlich existierte ein Herr, ein Gebieter! Wer anders hatte das Recht, Befehle zu erteilen, als derjenige ganz allein, der die anderen vom sicheren Tode errettet hatte, der als einziger das Land genau kannte, der den anderen an Geist, Wissen und Willensfestigkeit überlegen war. Es wäre ja Feigheit gewesen, sich selbst anlügen zu wollen. Dem Kawdjer konnte es nicht entgangen sein, wie sich die Blicke dieser hilflosen Menge fragend auf ihn richteten, in seine Hände hatte sie die ausübende Gewalt niedergelegt, in ihm sah sie die Verkörperung der Gesetzgebung, von ihm erwartete sie vertrauensvoll Hilfe, Ratschläge und Entscheidungen. Ob er wollte oder nicht, er konnte sich dem Gefühle der Verantwortung nicht mehr entziehen, mit dem ihn dieses Vertrauen belastete. Ob er wollte oder nicht, er war durch den Stand der Dinge und das schweigende Übereinstimmen der überwiegenden Majorität zum Herrn, zum Gebieter erhoben worden.
    Wie kam das? Er, der Freisinnige, der Mann, welcher keinen Zwang erdulden konnte, sollte nun in die Lage kommen, anderen Grenzen zu stecken? Er sollte Gesetze diktieren – obwohl er die Gesetze verwarf und deren Daseinsberechtigung leugnete? Welche Ironie! Den Apostel des Anarchismus, den begeisterten Verfechter der Freiheit, der die Devise: »Kein Gott, kein Herr!« auf seinem Banner trug – den erhob man zum Herrn! Ihn belastete man mit dieser Autorität, die er aus tiefster Seele haßte und verabscheute in ohnmächtigem Grimme. Sollte er sich zu dem verhaßten Amt hergeben? Wäre es nicht besser, vor diesen mit Sklavenseelen begabten Geschöpfen weit zu entfliehen?… Aber was würde aus ihnen werden, wenn sie sich selbst überlassen blieben? Er wäre dann nichts anderes als ein feiger Deserteur und sein Gewissen würde mit allen unausbleiblichen Leiden dieser Hilflosen belastet werden. Wenn auch ein jeder unstreitig das Recht hat, Träumen und Idealen nachzuhängen, so wäre doch derjenige unwürdig, den Namen Mensch zu führen, welcher nur den eigenen Ideen lebt und bewußt die Augen schließt vor der rauhen Wirklichkeit, dem ihn umgebenden Elend, womöglich dessen Existenz leugnet und sich nicht entschließen könnte, seinen Stolz zum Opfer zu bringen, wenn es sich darum handelt, der leidenden, bedürftigen Menschheit zu Hilfe zu kommen. Wie unerschütterlich auch manche Grundsätze scheinen, sie müssen fallen gelassen werden, sobald es das Wohl des Nächsten erfordert. Keine Folgerung kann klarer und deutlicher sein. Hatte man nicht am Abend viele Fälle von Trunkenheit zu konstatieren gehabt – ohne der anderen zu gedenken, die im Stillen dem Laster gefröhnt hatten, die man nicht zählen konnte? Durste ein solcher Mißbrauch des Alkohols in dieser friedlichen Menge geduldet werden, auf die Gefahr hin, dadurch Zank und Streit, vielleicht Aufruhr und Mord großzuzüchten?
    Hatten sich die Folgen des Giftgenusses nicht schon fühlbar gemacht? Welche Verheerungen konnte man in der Familie Ceroni beobachten!
    Man näherte sich dem Zelte, das die Familie Rhodes bewohnte und wollte sich eben trennen, als der Kawdjer zögernd stehen blieb. Aber feige war er nicht. Gewillt, die ganze Last der Verantwortung auf seine Schultern zu

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