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Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Titel: Die Schiffbrüchigen des »Jonathan« Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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nehmen, so schwer es ihm auch fallen mochte, war sein Entschluß gefaßt. Er wandte sich an Hartlepool.
    »Sind Sie der Verläßlichkeit und Treue der Besatzung des »Jonathan« sicher? fragte er.
    – Mit Ausnahme Kennedys und Sirdeys, des Kochs, sind alle verläßlich; ich bürge für sie, sagte Hartlepool.
    – Über wieviel Mann verfügen Sie?
    – Über fünfzehn, mich mitgerechnet.
    – Die vierzehn anderen gehorchen Ihnen unbedingt?
    – Unbedingt.
    – Und Sie selbst?
    – Ich?…
    – Ist jemand auf der Insel, dessen Autorität Sie anerkennen? dem Sie sich fügen wollten?
    – Aber… Ihnen doch, Herr… natürlich! antwortete Hartlepool, dem dies ganz selbstverständlich vorkam.
    – Warum mir?
    – Aber, Herr,… – Hartlepool wurde ganz betreten – schließlich brauchen doch die Leute, hier wie anderswo, ein Oberhaupt, einen Anführer. Das versteht sich doch von selbst!
    – Und warum soll ich gerade dieser Anführer sein?
    – Weil kein anderer hier zu befehlen hat,« sagte Hartlepool überzeugungsvoll, indem er seine Worte mit einer entsprechenden Handbewegung begleitete.
    Die Antwort konnte nicht kategorischer gedacht werden. Jede Entgegnung schien überflüssig.
    Noch eine kurze Weile stand der Kawdjer schweigend da, dann sagte er mit fester Stimme:
    »Von heute Abend an werden Sie die ausgeschifften Vorräte des »Jonathan« scharf bewachen lassen. Je zwei Mann der Besatzung, welche in regelmäßigen Zwischenräumen abgelöst werden müssen, sollen die Wache übernehmen, niemanden herannahen lassen und die Fässer mit Alkohol besonders im Auge behalten.
    – Gut, Herr, erwiderte einfach Hartlepool, in fünf Minuten wird der Befehl ausgeführt sein.
    – Gute Nacht!« sagte der Kawdjer und entfernte sich mit hastigen Schritten, unzufrieden mit dem Lauf der Dinge und dem eigenen Ich.
Drittes Kapitel.
In der Scotchwell-Bai.
    Die Wel-kiej kam erst am 15. April von Punta-Arenas zurück. Kaum hatten die Emigranten ihr Nahen bemerkt, als sie sich – begierig, ihr Schicksal kennen zu lernen – in dichten Gruppen um jene Stelle des Ufers scharten, wohin das Schiff seinen Kurs gerichtet hielt.
    Die Verteilung der Gruppen am Strande war nach jenen unwandelbaren Gesetzen erfolgt, die alle größeren Menschenansammlungen auf unserem unvollkommenen Planeten leiten: die Stärkeren hatten sich vorgedrängt und die besten Plätze eingenommen. Die Frauen wurden in die hintersten Reihen zurückgestoßen, was sie jedoch nicht abhielt, obwohl sie weder sehen noch hören konnten, ihre Meinungen und Ansichten auszutauschen über die Nachrichten, welche die Schaluppe mitbringen mußte – ein ebenso unzeitgemäßes als lärmendes Vorgehen!
    Im Vordergrund standen die Männer in geringer Entfernung vom Ufer, die im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Stärke und Brutalität stand. Die Kinder, welche überall und bei jeder Gelegenheit Zeit und Lust zum Spielen finden, waren über den ganzen Platz hin verstreut. Die kleinsten piepten wie die Sperlinge und umkreisten hüpfend die verschiedenen Gruppen. Andere verloren sich mitten in der Menge und konnten weder vor-noch rückwärts kommen, andere endlich waren geschickt genug gewesen, sich bis in die vordersten Reihen durchzudrängen und steckten ihre frischen Gesichter neugierig zwischen den Beinen der Männer hervor.
    Es bedarf kaum der Erwähnung, daß Dick der letztgenannten Kategorie der Kühnen angehörte, und nicht nur zu seinem persönlichen Vorteil hatte er alle Hindernisse überwunden, er verhalf auch seinem unzertrennlichen Sand und einem anderen Knaben, mit welchem die beiden Schiffsjungen seit acht Tagen einen unauflöslichen Freundschaftsbund geschlossen hatten, zu guten Plätzen. Dieses Kind, Marcel Norely, hatte das größte Anrecht auf ihre Zuneigung und Unterstützung, denn es war ihres Schutzes bedürftig. Es war ein schwächliches Kind, welches den Ausdruck des Leidens im Gesicht trug, außerdem ein Krüppel: sein rechtes Bein war infolge einer Lähmung im Wachstum zurückgeblieben und um einige Zentimeter kürzer als das linke. Dieses Gebrechen trübte jedoch nicht im mindesten die gute Laune des kleinen Marcel, noch beeinträchtigte es seine Lust an kindlichen Spielen, an denen er sich mit demselben Eifer beteiligte wie die anderen, gefunden Knaben. Er bediente sich stets einer Krücke, die er mit großer Geschicklichkeit handhabte.
    Während nun die Emigranten in großer Aufregung dem Ufer zustrebten, war Dick und sein Gefolge, Sand und Marcel, unter den

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