Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«
machte eine ungeduldige Bewegung.
»Sie muß einwilligen,« sagte er dumpf vor sich hin.
Der Kawdjer schüttelte zweifelnd den Kopf.
»Graziella wird mir helfen, sie dazu zu bewegen. Sie hat schon ihren Entschluß gefaßt und sich für das Hierbleiben entschieden, wenn du es erlaubst. Sie ist des Zusammenlebens mit ihrem Vater müde und hat außerdem Furcht vor einigen der Emigranten.
– Furcht? wiederholte der Kawdjer erstaunt.
– Ja. Vor allem fürchtet sie Patterson. Seit einem Monat verfolgt er sie auf Schritt und Tritt und den Rum hat er Ceroni hauptsächlich darum verkauft, um ihn für sich zu gewinnen. Seit ein paar Tagen kommt noch ein zweiter sie quälen, ein gewisser Sirk, einer von Doricks Anhängern. Dieser ist noch mehr zu scheuen!
– Was tut er denn?
– Graziella kann das Zelt nicht verlassen, ohne ihm zu begegnen. Er hat sie angesprochen und ist unhöflich gegen sie gewesen Graziella hat ihm dies verwiesen, worauf er sie bedroht hat. Er ist ein gefährlicher Mensch. Graziella zittert vor ihm. Zum Glück bin ich da, um sie zu schützen.«
Der Kawdjer lächelte innerlich über diesen Ausbruch jugendlicher Eitelkeit; er trachtete seinen Zögling zu besänftigen:
»Beruhige dich, Halg, beruhige dich! Warten wir den Tag der Abreise ab, dann werden wir wissen, wie die Sachen stehen und wie wir uns zu verhalten haben. Aber bis dahin bewahre deine gewohnte Kaltblütigkeit. Der Zorn ist nicht nur nutzlos, sondern direkt von Nachteil. Erinnere dich daran, daß Gewalt nie gute Folgen zeitigt und daß sie nur dann am Platze ist, wenn man angegriffen wird und sich verteidigen muß; aber auch nur dann ist sie zu entschuldigen.«
Dieses Gespräch vermehrte die Sorgenlast des Kawdjer. Es paßte ihm nicht recht, daß Halg sich in das Abenteuer eingelassen hatte und das Auftauchen von Rivalen machte die Angelegenheit noch verwickelter, da sie die Eifersucht des ersteren wachrufen und zu unliebsamen Szenen führen konnte.
Was die Alkoholfrage anbelangte, so hatte die Entdeckung Halgs die Schwierigkeit nur auf ein anderes Feld gelenkt, ohne sie zu beheben. Man war Ceronis Lieferanten auf die Spur gekommen. Aber wie verschafft sich Patterson den Alkohol, mit dem er Handel trieb? Er kannte ja Pattersons gemeine Natur, vielleicht hatte er sich irgendwo einen geheimen Vorrat reserviert? Diese Vermutung hatte wenig Wahrscheinlichkeit für sich. Angenommen, es wäre ihm trotz der Strenge der gehandhabten Schiffsordnung und der Wachsamkeit Kapitän Leccars möglich gewesen, eine verbotene Fracht bei der Abreise einzuschmuggeln, wie hätte er sie bei dem Schiffbruch und nachher verborgen halten können? Nein, er stahl den Rum aus den Vorräten des »Jonathan«. Aber auf welchem Wege, da die Wachen Tag und Nacht an ihren Posten waren? Ob Ceroni oder Patterson der Dieb war, die Schwierigkeit blieb ungelöst.
Auch die folgenden Tage brachten keine Aufklärung in dieses Problem. Es ließ sich nur konstatieren, daß Lazare Ceroni genau wie früher tagtäglich ohne Ausnahme betrunken war.
Die Zeit verstrich und es kam der 15. September heran. An diesem Tage waren die Reparaturen der Wel-kiej beendet. Jetzt, wo das Meer sich wieder von der günstigen Seite zeigte, war sie wieder segeltüchtig.
Die Tage wurden länger und deuteten auf das Frühlingsäquinoktium hin. In einer Woche mußte der Winter seine Herrschaft abtreten. Aber ehe er den Platz räumte, zeigte er sich noch von der allerschlimmsten Seite; während einer Woche suchte ein so heftiger Orkan die Insel Hoste heim, daß alle seine Vorgänger dadurch in den Schatten gestellt und die Emigranten noch einmal genötigt wurden, den Schutz ihrer Behausungen, zum letzten Mal, aufzusuchen. Diesem Unwetter folgten die schönsten Tage und die schlummernde Natur begann allerorts zu erwachen.
Anfangs Oktober wurde das Lager von einigen Feuerländern besucht. Diese Eingebornen waren sehr erstaunt, auf der Insel Hoste eine so zahlreiche Bevölkerung anzutreffen. Der Schiffbruch des »Jonathan«, der sich zu Beginn der Wintermonate ereignet hatte, war tatsächlich den Indianern des Archipels nicht bekannt geworden. Zweifellos wurde die Nachricht jetzt um so schneller verbreitet.
Die Emigranten standen mit den Familien der Yacanas bald im allerbesten Einvernehmen und waren ihres Lobes voll. Ob diese dasselbe von den Auswanderern sagen konnten, bleibe dahingestellt. Einige der »Zivilisierten«, eine geringe Anzahl glücklicherweise, und dazu gehörten die Brüder Moore,
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