Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«
Kawdjer war Fuentes gar nicht überzeugt, daß die entdeckte Ähnlichkeit nur auf Einbildung beruhen sollte; und diese Ähnlichkeit mußte etwas Außergewöhnliches bedeuten, um ihn so zu erregen.
»Wie merkwürdig!« murmelte er halblaut, während sich der Kawdjer entfernte, ohne sich umzublicken.
Der Kommandant kam nicht in die Lage, seine Vermutungen nochmals auf ihre Richtigkeit zu prüfen, denn der Kawdjer gewährte ihm keine zweite Unterredung. Als ob er Ursache gehabt hätte, eine abermalige Zusammenkunft mit dem Kapitän, die sein früheres Leben zur Sprache bringen konnte, zu scheuen, war er noch am selben Abend vom Schauplatz verschwunden: er war auf einer seiner Streifereien durch die Insel begriffen.
Die jungen Leute zogen sich auf das andere Ufer zurück… (S. 224.)
Der Kommandant mußte sich darauf beschränken, die Ausschiffung seiner Ladung zu bewerkstelligen, eine Arbeit, die eine Woche in Anspruch nahm.
Außer den durch Chile zum allgemeinen Besten großmütig gesandten Vorräten brachte der »Ribardo« auch noch eine besondere Fracht für einen einzelnen, und zwar für Harry Rhodes.
An den Feldarbeiten konnte er sich nicht beteiligen, dazu hatte ihn die genossene Erziehung nicht vorbereitet. So war ihm der Gedanke gekommen, einen Importhandel zu begründen. Deshalb hatte er nach der Unabhängigkeitserklärung, als man eine glückliche Zukunft erhoffen konnte, den Kommandanten des Avisoschiffes beauftragt, bei Gelegenheit ihm die Waren zukommen zu lassen.
Dieser hatte den Wunsch nicht vergessen und nun brachte der »Ribardo« über Auftrag und auf Rechnung Harry Rhodes’ eine Unmenge der verschiedensten Dinge mit, die, einzeln genommen, fast wertlos und doch wieder von größtem Werte sind: Zwirn, alle Arten von Nadeln, Zündhölzchen, Schuhe, Kleider, Federn, Bleistifte, Papier, Tabak und tausend andere Kleinigkeiten, eine ganze Ausrüstung für einen Bazar.
Das Projekt Harry Rhodes’ war sehr vernünftig, seine Wahl gut getroffen. Aber wie die Dinge standen, war zu befürchten, daß ihm sein Warenlager zum Selbstgebrauch verbliebe! Nichts deutete darauf hin, daß es jemals zum geregelten Zwischenhandel unter den Hostelianern kommen könnte, welche eigentlich aus Einsiedlern bestanden, die zufällig zusammengeweht worden waren.
Harry Rhodes war seines Mißerfolges schon jetzt so sicher, daß er um ein Haar seine Waren auf dem »Ribardo« gelassen und sich selbst eingeschifft hätte, um dieses Land zu fliehen, von dem er nichts mehr erhoffte.
Aber wohin sich wenden mit diesen verschiedenartigen Gegenständen, die hier auf dieser weltabgeschlossenen Insel so kostbar waren und in belebten Gegenden fast wertlos wurden. Nach reiflicher Überlegung beschloß er, sich in Geduld zu fassen und zu bleiben. Das Schiff war nicht das letzte, das diese Küste besuchte! Die Gelegenheit, die Insel Hoste zu verlassen, kam wieder und er konnte immer von ihr Gebrauch machen, wenn die Lage sich nicht besserte.
Sobald die Ladung ausgeschifft war, lichtete der »Ribardo« die Anker und fuhr ab, und einige Stunden später erschien der Kawdjer wieder an der Küste; es war, als ob er nur die Abfahrt des chilenischen Schiffes abgewartet hätte.
Die frühere Lebensweise wurde wieder aufgenommen, die einen bebauten ihre Gärten, die anderen gingen dem Fischfang nach, der Kawdjer jagte im Inneren der Insel, die Mehrzahl tat gar nichts und lebte heiter und fröhlich in den Tag hinein, was jetzt nicht mehr so unvernünftig zu nennen war, da ja ein neuer Schatz von Vorräten angelangt war. Die Bevölkerung belief sich auf hundert Seelen, wobei die Bewohner Neudorfs mitgerechnet waren. (Diesen Namen hatte man mit allgemeiner Zustimmung der zweiten kleinen Niederlassung gegeben, die sich um das Haus des Kawdjer gebildet hatte.) Lebensmittel gab es nun für achtzehn Monate. Folglich war kein Grund zur Beunruhigung vorhanden.
Beauval »regierte« einstweilen. In Wirklichkeit führte er ein richtiges Faulenzerdasein und seiner Meinung nach gedieh der Staat prächtig. In den ersten Tagen seiner Ernennung hatte er das Lager auf den Namen »Liberia« getauft, die neue Hauptstadt der Insel Hoste. Seit dieser anstrengenden Regierungsarbeit ruhte er.
Das großmütige Geschenk der chilenischen Regierung bot ihm Gelegenheit, ein zweites Mal seine Autorität zu betätigen, indem er für die Unterhaltung seiner Untertanen Sorge trug – eine wichtige Sache. Auf seinen Befehl hin war die eine Hälfte der
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