Die Schiffe der Kleopatra
unscheinbares Gewand, hinter ihr stand wie ein ewiger Schatten Apollodorus. Bei ihr saß Alpheus, der junge Dichter mit dem fröhlichen Gesicht.
»Sie sind gerade erst gekommen«, berichtete Hermes mir, der das Haus vor uns erreicht hatte. »Die Prinzessin sagt, ihr hättet eine Verabredung.«
»Eine Verabredung?« fragte ich verwirrt.
»Erinnerst du dich nicht?« sagte Kleopatra. »Wir gehen ins Andromeda, um ehemalige Piraten anzuheuern!« Sie strahlte wie ein begeistertes Kind.
»Das muss mir entfallen sein«, entschuldigte ich mich. »Außerdem habe ich wahrscheinlich schon mehr Männer, als wir brauchen. Ihr solltet den Haufen Schurken sehen, den ich heute angeheuert habe.«
»Ich wette, du hast niemanden angeheuert, der sein altes Gewerbe gestanden hat«, sagte Alpheus. »Und nachdem sie nun ihren Eid geleistet haben, werden sie es auch nie mehr zugeben.«
»Komm schon«, drängte Kleopatra, »schließ dich uns an. Es wird bestimmt viel lustiger als ein weiteres weinseliges Bankett.«
»Ich mag weinselige Bankette«, erklärte ich ihr. »Aber da ich schon zugesagt hatte, werde ich mit kommen.« Eigentlich konnte ich mich nicht erinnern, ein bestimmtes Datum für diesen Ausflug festgelegt zu haben, doch solche Erinnerungslücken waren mir nichts Neues.
»Gut!« rief sie und schien sich nur mühsam beherrschen zu können, nicht vor Entzücken in die Hände zu klatschen. Sie stand auf, und Apollodorus hüllte sie in einen weiten Umhang, der ihren Kopf unter einer Kapuze verbarg. Das paßte wahrscheinlich genau zu ihrem Sinn fürs Melodramatische, obwohl es vollkommen unnötig war. In dem schlichten Kleid und ohne die extravaganten Juwelen sah sie aus wie jedes andere griechische Mädchen; attraktiv, aber nicht umwerfend, und nichts an ihrer Erscheinung deutete auf ihre königliche Abstammung hin. Ich habe oft erlebt, dass der Thronadel meint, sich schon rein äußerlich von anderen Sterblichen zu unterscheiden, als ob ihre Haut golden strahle oder so, aber ich habe dergleichen nie beobachten können.
Ich ließ meinem Gastgeber eine Nachricht zukommen, dass dringende Amtsgeschäfte mich andernorts unabkömmlich machten, und begab mich mit zwei Sklaven, einem Dichter und der zukünftigen Königin von Ägypten auf die Suche nach der heruntergekommensten Seemannsspelunke der Stadt. Das Andromeda lag unweit der Docks in einer engen Straße mit flachen, einstöckigen Gebäuden, die zumeist in der einen oder anderen Weise ein maritimes Gewerbe beherbergten: Lagerhäuser, Schiffsausrüster und bauer, Segelmacher und natürlich Seemannstavernen. Als wir das Schild sahen, wussten wir, dass wir den richtigen Laden gefunden hatten, denn es wurde von dem allzeit populären Motiv einer nackten, an einen Felsen geketteten Frau geziert.
Drinnen herrschte der für derlei Lokale überall auf der Welt typische Mief. Die Decke war niedrig, die Luft durch die Zahlreichen Lampen verqualmt und der vorherrschende Geruch der von vergossenem Wein. An einer Wand erstreckte sich ein langer Tresen, hinter dem eine Reihe von Amphoren mit einladend offenen Tüllen angebracht war. Mehrere lange Tische mit Bänken füllten den Raum, und in den Ecken waren weitere kleinere Tischchen plaziert. In dem Raum drängten sich etwa fünfzig bis sechzig Männer, die meisten durch ihre Mützen und die pechfleckigen Tuniken als Matrosen erkennbar, sowie einige Frauen von zweifelhaftem Ruf.
»Darf ich euch einen Tisch anbieten, Herr?« Die Barfrau war eine gutaussehende junge Frau mit kräftig entwickelter Armen und dem muskulösen Oberkörper eines Menschen, der den ganzen Tag schwere Gefäße und Krüge trägt.
»Du darfst«, sagte ich. »Einen der Ecktische, bitte.« Als wir uns durch den Raum in die Ecke drängten, folgten uns zahllose neugierige Augenpaare. Obwohl ich in militärischem Dienst unterwegs war, trug ich eine unauffällige Tunika und schlichte Sandalen. Trotzdem würde mich keiner für etwas anderes als einen Römer halten. Von meinem klassisch römischen Gesicht einmal abgesehen, geht oder steht einfach niemand auf der Welt wie ein Römer. Es ist etwas, was uns in der Legion und in den Rednerschulen eingebleut wird, eine Betonung sowohl der Haltung und Bewegung als auch der Stimme, die sich einfach nicht verbergen lässt. Selbst Hermes, ein geborener Sklave von fragwürdiger Herkunft, verfügte über diese physische Präsenz, unterstützt natürlich durch seine Erziehung in einem caecilianischen Haushalt.
Kleopatra, Alpheus und
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