Die Schiller-Strategie: Die 33 Erfolgsgeheimnisse des Klassikers (German Edition)
bei Goethe ist heute für die Selbsterfahrung im mittleren Alter meist nicht mehr nötig.
„Nicht an die Güter hänge dein Herz, Die das Leben vergänglich zieren! Wer besitzt, der lerne verlieren, Wer im Glück ist, der lerne den Schmerz!“
Die Braut von Messina
17 GLAUBE AN DICH, IMMER – AUCH IN SCHWIERIGER ZEIT
„Unsicher, los’ und wandelbar sind alle Bande,
die das leichte Glück geflochten.“
Die Braut von Messina
Rudolstadt, 7. September 1788: Kaum kann Schiller seine Aufregung verbergen. Heute würde sich ein ganz großer Wunsch erfüllen – endlich, endlich würde er den berühmten Dichter Johann Wolfgang von Goethe kennenlernen! Einmal hatte er sein großes Vorbild ja schon gesehen; damals, vor vielen Jahren, als Goethe mit dem Weimarer Herzog Karl August bei Herzog Karl Eugen von Württemberg zu Besuch war und neben dem Gastgeber stand, als dieser auf dem Stiftungsfest der Karlsschule Auszeichnungen an die besten Schüler verteilte. Gleich viermal hatte er einen kurzen Augenblick neben dem verehrten Idol stehen dürfen – der hatte das freilich längst vergessen, das war ihm klar.
Heute Abend würde das anders sein. Dann wäre er, Schiller, nicht ein namenloser Schüler, sondern ein durchaus anerkannter Dichter, der einem Dichterkollegen vorgestellt würde. Charlotte und Caroline, die beiden Schwestern und seine Herzensfreundinnen, wussten um seinen großen Wunsch, den berühmten Geheimrat endlich persönlich kennenzulernen, mit ihm zu sprechen, seine Gedanken mit ihm auszutauschen, seine Sprache an dessen Sprache zu messen. Sie, die beiden adligen Damen, verkehrten in der guten Gesellschaft von Weimar, und Charlotte war sogar das Patenkind von Goethes Freundin Charlotte von Stein – die beiden hatten für ihn eine Gesellschaft in ihrem Rudolstädter Elternhaus arrangiert, und auch Goethe hatte sein Erscheinen zugesagt …
Den ganzen Tag über ist Schiller in Aufruhr. Legt sich Themen für Gespräche zurecht; Fragen, die er dem Älteren stellen will. Und endlich ist es so weit: Die ersten Gäste treffen ein. Goethe lässt auf sich warten. Und dann ist er plötzlich da, umringt von einer Schar Bewunderer. Kleiner und gedrungener als erwartet, älter aussehend. Aber doch hat er etwas Anziehendes, Faszinierendes. Man plaudert – bei den Göttern, es musste doch etwas mehr herauskommen aus diesem Treffen als ein förmlicher Austausch von Höflichkeiten!
Schnell, viel zu schnell wendet sich Goethe den anderen Gästen zu. Verdammt, er will nicht mit ihm allein sprechen, zeigt deutlich, dass er lieber seine Erzählungen von seiner Italienreise zum Besten gibt als sich dem jungen Dramatiker aus Stuttgart zu widmen. Warum nur? Fürchtet er die Konkurrenz? Oder ist er ihm einfach zuwider? Enttäuscht lässt sich Schiller in einem Sessel nieder, wo er ebenfalls bald ein paar Freunde um sich schart, mit denen er schnell in ein angeregtes Gespräch vertieft ist. So weit, so gut – aber das ist es nicht gewesen, was er sich von diesem Abend erwartet hätte …
Es ist eine neue Enttäuschung in einer Kette von Niederlagen, die Schiller in seinem Leben erdulden musste. Die schicksalhafte Begegnung der zwei großen Dichter, auf die Schiller so viele Hoffnungen gesetzt hat – sie gerät zum Fiasko. Goethe zeigt sich abweisend, desinteressiert, kühl. Er, der gefeierte Goethe, der Mittelpunkt des Weimarer Lebens, hat anderes zu tun, als sich um den aufstrebenden Dichter, einen neuen Konkurrenten, zu kümmern … Und Schiller? Er ist zwar niedergeschlagen, verletzt. Aber er steckt die Enttäuschung weg, blickt nach vorn: Wenn es heute auch nicht gelungen ist, die Aufmerksamkeit Goethes zu wecken, seine Freundschaft zu gewinnen, so wird sich gewiss später eine neue Gelegenheit ergeben!
Es ist diese Hartnäckigkeit, dieses Sich-nicht-unterkriegen-Lassen, die uns Schiller so sympathisch macht – und von der wir viel lernen können. Eine Niederlage begreift Schiller nicht als Katastrophe – dazu hat er trotz seiner Jugend schon zu viele erlebt. Und er weiß: Trotz aller Rückschläge geht das Leben weiter. Wenn einem auch die Tür vor der Nase zugeschlagen wird, so öffnet sich vielleicht an anderer Stelle doch ein Fenster …
Es sind schwierige Zeiten für den Dichter, gewiss. Aber Schiller beißt die Zähne zusammen – und macht weiter. Denn er glaubt an sich. An sein Talent. An sein zukünftiges Glück. Und daran, dass er seinen Weg machen wird. Aus eigener Kraft. Und mit der Hilfe von Freunden, die
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