Die Schiller-Strategie: Die 33 Erfolgsgeheimnisse des Klassikers (German Edition)
Schiller stets hellwach, hat seine früheren Stücke, wie eingangs geschildert, durchaus kritisch gesehen, hat das eigene Werk immer wieder selbstkritisch analysiert. Hat zurückgeblickt, um aus den gefühlten Unvollkommenheiten früherer Arbeiten zu lernen. „Meine Räuber mögen untergehen, mein Fiesko wird leben.“ – Dieser Satz drückt das Selbstverständnis Schillers aus. Er blickt nach vorn.
Mehr noch: Er ging auf die Kritik von anderen ein, hat sich mit ihr konstruktiv auseinandergesetzt. Nicht aus Selbstquälerei – sondern um daran zu wachsen. Gerade das freundschaftliche Verhältnis mit Goethe (siehe Kapitel: „Bilde ‚Dream Teams‘“) war eines, von dem beide profitierten – und bei dem Werk und Persönlichkeit des jeweils anderen einer kritischen Analyse unterzogen wurden.
Ein Weiteres können wir lernen: Schiller und Goethe kritisieren einander nie verletzend, und sie taten es mit Stil und durchaus auf Augenhöhe. „Man muss einen Fehler mit Anmut rügen, und mit Würde bekennen“ , schreibt Schiller in „Über Anmut und Würde“ im Jahr 1793 – also noch ein Jahr vor der wichtigen Begegnung mit Goethe. Doch den Rahmen, was Kritik darf, hat er bereits hier abgesteckt.
Fairness, Kritik auf Augenhöhe, der Verzicht auf allzu verletzende Polemik – all das macht uns Schiller vor. Er zeigt uns eine konstruktive Kritik, die weiterbringt – und keine bleibenden Wunden schlägt. Mehr noch: Er zeigt uns den Schlüssel zum besseren Selbstverständnis, zum stetigen Wachstum. Dazu gehört für Schiller unabdingbar, stets ein wenig Distanz zum eigenen Ego zu bewahren. Und misstrauisch zu werden, wenn das Heer der Schmeichler, das uns umgibt, auf einmal allzu groß wird:
„Zu vieles Loben macht dem, der edel denkt, den Lorbeer nur zuwider.“
Sprüche
16 MEISTERE DIE MIDLIFE-CRISIS
„Sei eingedenk, dass alle Güter der Erde
von der Arbeit stammen,
wer sie genießt, ohne zu arbeiten,
der stiehlt dem Arbeitenden sein Brot.“
Lebensregeln
Karlsbad, 3. September 1786: Eine dunkle Gestalt kommt leise aus dem Palais. Den schwarzen Hut tief ins Gesicht gezogen, den schwarzen Mantel eng um den untersetzten Körper geschlungen, scheint der Mann fast mit der mondlosen Nacht zu verschmelzen. Vorsichtig biegt er um ein paar Straßenecken der nächtlichen Stadt, ängstlich darauf bedacht, von niemandem gesehen oder gar erkannt zu werden. Es wäre doch ein Skandal, wenn irgendjemand den Geheimrat Johann Wolfgang von Goethe dabei überraschte, wie er sich davonschleicht wie ein Dieb – davonschleicht aus seinem ihm immer unerträglicher gewordenen Leben zwischen Hofdienst, Dichtung und Frauen.
Denn seine Aufgaben als „Geheimer Rat“ bestehen vor allem aus Bergbau, Soldatenrekrutierung und Transportwesen – alles nicht das, was ihn wirklich ausfüllen würde. Umso schlimmer, dass ihm dadurch die Zeit zum Schreiben fehlt. Er arbeitet an mehreren Stücken gleichzeitig, aber richtig voran geht es mit keinem von ihnen. Kann er, der gefeierte Dichterfürst Goethe, etwa nicht mehr schreiben? Ist er zu aufgezehrt vom Alltag, als dass er noch seine Gedanken zu Papier bringen könnte? Und Charlotte – zu lange schon währt ihr mehr oder weniger heimliches Liebesverhältnis, als dass es ihn noch inspirieren könnte …
Er will fort, nichts als fort. Italien, das Land der Sehnsucht, ist sein Ziel. Ohne Abschied von seinen Freunden will er abreisen, sogar ohne Abschied von seinem Herzog. Er würde ihn schon verstehen. Würde verstehen, dass er – Goethe – an einem Wendepunkt in seinem Leben steht. Dass er etwas anderes sehen, etwas anderes ausprobieren muss. Die Kunst der Malerei beispielsweise – vielleicht ist er ja ein besserer Maler als ein Dichter? Und wo würde man das besser herausfinden können als im Mutterland der Künste, in der Heimat Tizians, Raffaels und Michelangelos?
Ah – da wartet die Kutsche schon! Wie vereinbart, längst mit seinem Gepäck beladen. Auf seinen Diener ist eben Verlass … Die Aussicht auf das Abenteuer, auf das er sich einlässt, verleiht dem untersetzten Geheimrat Flügel. Leichtfüßig springt er in die Kutsche, die sich rumpelnd in Bewegung setzt. Richtung Italien, einem neuen Leben entgegen.
Wie unterschiedlich die Lebensläufe von Goethe und Schiller doch sind: Schiller muss sich sein ganzes, kurzes Leben lang plagen, um endlich ein wenig materiellen Erfolg zu haben, seine Familie halbwegs ernähren zu können. Er schreibt Stück um Stück – zwischendrin auch
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