Die Schlacht der Nomen: Trucker, Wühler, Flügel
Hier geht es nicht um die Größe. Es ist alles so … perfekt.« Er klopfte auf einen höckrigen Reifen. »Du hast erwähnt, daß die Menschen daran glauben, jemand hätte die Welt in einer Woche erschaffen. Nun, als ich Jekub zum erstenmal sah, dachte ich: Der Schöpfer hat dies hier benutzt.« Er blickte nach oben in die Schatten.
»Zuerst müssen wir die Plane fortziehen«, fügte er hinzu.
»Bestimmt ist sie sehr schwer – wir brauchen also die Hilfe vieler Nomen. Du solltest sie besser warnen. Jekub kann recht schrecklich wirken, wenn man ihn zum erstenmal sieht.«
»Ich bin überhaupt nicht erschrocken«, behauptete Grimma.
»Ich weiß«, sagte Dorcas. »Ich habe dein Gesicht beobachtet.«
Die Nomen richteten erwartungsvolle Blicke auf Grimma.
»Denkt immer daran, daß es nur eine Maschine ist«, sagte sie.
»Eine Art Lastwagen. Doch wenn man diesen Laster zum erstenmal sieht, kann er recht schrecklich wirken, und deshalb schlage ich vor: Haltet die kleinen Kinder an den Händen. Und weicht zurück, wenn die Plane herunterkommt.« Köpfe nickten.
»Also gut. Faßt an.«
Sechshundert Nomen spuckten in die Hände und griffen nach dem schweren Tuch.
»Zieht kräftig, wenn ich ›ziehen‹ sage.« Die Wichte holten tief Luft.
»Ziehen!«
Falten glätteten sich und verschwanden.
»Ziehen!«
Die Plane bewegte sich, glitt über Jekubs kantige Gestalt, erst langsam, dann etwas schneller, als das eigene Gewicht an ihr zerrte.
»Zurück!«
Das Ding kam wie eine schmierige grüne Lawine herunter, bildete einen hohen Faltenberg. Doch niemand achtete darauf, denn Sonnenschein kroch durch die staubigen, von Spinnweben verhangenen Fenster. Jekub
glühte
plötzlich.
Mehrere Nomen schrien. Mütter hoben ihre Kinder hoch. Alle wichen in Richtung Tür zurück. Es
sieht
tatsächlich
wie ein Kopf aus,
dachte Grimma.
Wie ein Kopf an einem langen Hals. Und am anderen Ende hat er noch einen. Was denke ich da? ›Er?‹
Es.
Beziehungsweise sie. Es ist eine
Maschine.
Und die Maschine hat einen zweiten Kopf an ihrem anderen Ende.
»Es ist alles in Ordnung!« rief sie, um den Lärm zu übertönen. »Seht nur! Das Ding bewegt sich überhaupt nicht!«
»He, ihr da unten!« erklang eine andere Stimme.
Grimma sah nach oben. Nooty und Sacco waren über Jekubs Hals geklettert, hockten weit oben und winkten fröhlich.
Das gab den Ausschlag. Die Flutwelle der Nomen gischtete zur Wand und verebbte dort – man fühlte sich immer dumm, wenn man vor etwas floh, das einen überhaupt nicht verfolgte.
Die Wichte zögerten und kehrten langsam in die Mitte des Schuppens zurück. »Bemerkenswert.« Oma Morkie humpelte etwas näher. »Ich habe mich immer gefragt, wie sie aussehen.
Jetzt weiß ich’s.« Grimma musterte sie verwirrt.
»Was meinst du?« fragte sie.
»Oh, die großen Wühler«, erwiderte Oma. »Sie waren alle fort, als ich geboren wurde, aber mein Vater hat sie gesehen.
Große gelbe Dinge mit Zähnen, die sich in den Boden bohrten, erzählte er. Ich dachte immer, er hätte sich einen Scherz mit mir erlaubt.«
Jekub verzichtete nach wie vor darauf, Leute zu fressen. Einige besonders abenteuerlustige Nomen folgten Saccos und Nootys Beispiel, kletterten an ihm empor.
»Damals, als die Autobahn gebaut wurde«, fuhr Oma Morkie fort und stützte sich auf ihren Gehstock. »Die Wühler waren überall, sagte mein Vater. Große gelbe Dinge mit Zähnen und Höckerreifen.« Grimma starrte sie verblüfft an, und ihr Gesicht offenbarte dabei einen ganz speziellen Ausdruck: Er war für Personen reserviert, die wider Erwarten eine ebenso rätselhafte wie interessante Vergangenheit hatten.
»Und es gab noch andere Dinge«, fuhr die Alte fort.
»Dinge, die Erde zu großen Haufen zusammenschoben und so.
Muß inzwischen fünfzehn Jahre her sein. Hätte nie gedacht, daß ich einmal selbst einen Wühler sehe.«
»Soll das heißen, die Straßen wurden
gebaut?«
fragte Grimma. Inzwischen wimmelte es überall an Jekub von jungen Nomen. Dorcas stand im Führerhaus und erklärte die Funktion der Hebel.
»Das hat mein Vater gesagt«, entgegnete Oma. »Du hast sie doch nicht für einen Teil der natürlichen Landschaft gehalten, oder?«
»Wie?« Grimma schüttelte den Kopf. »O nein. Nein. Ganz und gar nicht. Wie kommst du darauf?« Und sie dachte:
Vielleicht hat Dorcas recht. Vielleicht ist alles künstlich. Einige Teile wurden eher gebaut, andere später. Man beginnt mit Hügeln, Wolken und so, und dann fügt man Straßen und
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