Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schlacht der Nomen: Trucker, Wühler, Flügel

Die Schlacht der Nomen: Trucker, Wühler, Flügel

Titel: Die Schlacht der Nomen: Trucker, Wühler, Flügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
uns. Wenn man zu den Büromaterialern gehört, muß man seine Herkunft vergessen und dem ganzen Kaufhaus dienen.«
    »Und warum gibt es keine Büromaterialerinnen?« fragte Grimma.
    »Alle wissen, daß Frauen nicht lesen können«, sagte Gurder.
    »Das ist natürlich nicht ihre Schuld. Ihre Gehirne laufen zu heiß. Wegen der Anstrengung. Tja, damit muß man sich abfinden.«
    »Komisch«, entgegnete Grimma. Masklin warf ihr einen kurzen Blick zu. Er hatte diesen zuckersüßen, unschuldigen Tonfall schon mehrmals vernommen und ahnte, daß Schwierigkeiten bevorstanden.
    Doch ganz abgesehen davon: Es war erstaunlich, wie andere Leute auf Gurder reagierten. Sie traten beiseite und verneigten sich, wenn er vorbeiging. Ab und zu hob jemand ein kleines Kind und zeigte auf ihn. Selbst die Wächter an den Grenzübergängen hoben respektvoll die Hand zum Helm.
    Um sie herum herrschte die Betriebsamkeit des Kaufhauses, das sich durch die Zeit bewegte.
Tausende von Wichten,
dachte Masklin.
Ich wußte nicht einmal, daß es so große
Zahlen
gibt.
    Eine Welt aus Leuten.
    Er erinnerte sich daran, allein zu jagen, durch die tiefen Furchen des Ackers hinter der Autobahn zu laufen: nur Erde und Steine, bis in weite Ferne. Und der Himmel … Eine umgedrehte Schüssel mit ihm in der Mitte. Hier hatte er das Gefühl, gegen jemanden zu stoßen, wenn er sich plötzlich umdrehte. Er fragte sich, wie es sein mochte, das ganze Leben im Kaufhaus zu verbringen und sonst nichts kennenzulernen, keine Kälte, keine Nässe, keine Furcht.
    Dann kam man vielleicht auf den Gedanken, daß es gar nicht anders sein konnte …
    Nach einer Weile merkte er, daß sie über einen Hang gingen.
    Kurz darauf schoben sie sich durch einen Spalt und erreichten ein riesiges Gewölbe des Kaufhauses. Es war Nacht – beziehungsweise Geschlossen –, doch am Himmel leuchteten helle Lichter. Nein,
nicht am Himmel,
verbesserte sich Masklin in Gedanken. An
der Decke.
    »Dies ist die Abteilung Kurzwaren«, sagte Gurder.
    »Seht ihr das Schild dort drüben?«
    Masklin spähte in die dunstige Ferne und nickte. Ja, er sah es und bemerkte rote Zeichen auf weißem Grund.
    »Die Botschaft sollte
Weihnachten
lauten«, fuhr der Büromaterialer fort. »Es ist die richtige Saison; sie kommt nach dem
Sommerschlußverkauf
und vor
Neue Mode für den Frühling.
    Aber statt dessen steht dort geschrieben …« Gurder kniff die Augen zusammen, und seine Lippen bewegten sich lautlos.
    »Letzte Herabsetzung.
Niemand von uns weiß, was es bedeutet.«
    »Es ist nur so ein Gedanke«, erklang Grimmas sarkastische Stimme. »Nur eine winzige Idee. Große Ideen könnten vielleicht dazu führen, daß mein Kopf explodiert. Bedeutet es nicht, daß alles zum letztenmal herabgesetzt wird?«
    »Oh, etwas so Einfaches steckt bestimmt nicht dahinter«, widersprach Gurder. »Man muß die Schilder interpretieren.
    Einmal gab es eins mit der Aufschrift
Brandaktuell,
aber es brannte überhaupt nichts.«
    »Und die anderen Schilder?« erkundigte sich Masklin. Er schauderte innerlich bei der Vorstellung, daß alles zum letztenmal herabgesetzt wurde.
    »Nun, das dort drüben verkündet
Alles muß weg«,
sagte Gurder. »Aber solche Hinweise erscheinen jedes Jahr. Auf diese Weise teilt uns Arnold Bros (gegr. 1905) mit, daß wir ein gutes Leben führen sollen, weil wir schließlich alle sterben.
    Auch die beiden dort drüben sind nicht neu.« Er schnitt eine ernste Miene. »Kaum jemand glaubt noch daran. Vor Jahren brachen deshalb Kriege aus. Reiner Wunderglaube. Ich halte es einfach für absurd, daß ein Ungeheuer namens
Bombenpreise
existiert: Angeblich schleicht es des Nachts durchs Kaufhaus, auf der Suche nach Sündern. Ach, damit verängstigt man nur ungezogene Kinder.« Gurder biß sich auf die Unterlippe. »Und noch etwas. Seht ihr die Objekte an den Wänden? Man nennt sie Regale. Manchmal nehmen Menschen Gegenstände aus ihnen heraus, und manchmal legen sie welche hinein. Doch seit einiger Zeit nehmen sie nur noch Dinge weg.« Mehrere Regale erstreckten sich leer an den Wänden entlang.
    Masklin kannte sich mit den Feinheiten des menschlichen Verhaltens nicht sehr gut aus. Menschen waren Menschen, so wie Kühe einfach Kühe waren. Vielleicht konnten sich Kühe oder Menschen untereinander erkennen, aber Masklin hielt vergeblich nach individuellen Unterschieden Ausschau. Und wenn ihr Verhalten irgendeinen Sinn hatte, so blieb er ihm verborgen. »›Alles muß weg‹«, wiederholte er leise.
    »Ja, aber

Weitere Kostenlose Bücher