Die Schlacht der Nomen: Trucker, Wühler, Flügel
richtigen Pläne, und Masklin kehrt nicht zurück, und alles geht schief.
Wenn Menschen in den Steinbruch kommen, so finden sie uns.
Etwas Kaltes fiel ihm auf den Kopf. Dorcas wischte es verärgert fort.
Ich rede mit den jüngeren Wichten,
dachte der Ingenieur.
Vielleicht ist es doch keine so schlechte Idee, die Scheune aufzusuchen. Wir könnten unterwegs die Augen geschlossen hallen oder so.
Etwas berührte ihn am Nacken – weich und kalt und feucht.
Dorcas hob den Kopf und stellte verblüfft fest, daß er die andere Seite des Steinbruchs nicht mehr sehen konnte. Die Luft war voller weißer Flecken, die immer größer wurden.
Entsetzt riß er die Augen auf. Es schneite.
Kapitel 8
VII. Und Grimma sprach: Wir haben zwei Möglichkeiten.
VIII. Wir können fliehen oder uns verstecken.
IX. Und die Nomen fragten: Was schlägst du vor?
X. Und Grimma sagte: Wir kämpfen.
Aus dem
Buch der Nomen
, Steinbrüche,
Kapitel 3, Verse VII-X
Es war kein dichtes Schneetreiben, eher das Gegenstück zu einem leichten Nieseln. Oma Morkie meinte, damit wolle der Winter darauf hinweisen, daß es, nun, Winter sei.
Oma hatte sich nie sehr für den Rat interessiert. Sie verbrachte ihre Zeit bei den anderen Alten, schimpfte mit ihnen und versuchte gelegentlich, sie ›aufzumuntern‹ und auf andere Gedanken zu bringen. Jetzt stapfte sie so durch den Schnee, als gehöre er ihr allein.
»Dies ist natürlich noch gar nichts«, sagte sie. »Ich erinnere mich an
richtigen
Schnee. War so hoch, war er, daß man nicht in ihm gehen konnte, sondern Tunnel hindurchgraben mußte!
Tja, damals hatten wir nichts zu lachen!«
»Äh«, erwiderte ein recht alter Wicht. »Fällt er immer so vom Himmel herab?«
»Und ob! Manchmal wird er auch vom Wind hin und her geweht. Dann bilden sich große Haufen!«
»Wir dachten immer…«, begann der alte Nom. »Auf den Bildern, äh, im Kaufhaus, meine ich … Wir dachten immer, der Schnee erscheint einfach so auf Dingen. Damit alles hübsch und festlich wirkt«, fügte er verlegen hinzu.
Sie beobachteten, wie die weiße Schicht auf dem Boden wuchs. Die Wolken über dem Steinbruch sahen aus wie angeschwollene Matratzen.
»Wenigstens kann jetzt niemand mehr von uns verlangen, in die abscheuliche Scheune umzuziehen«, meinte ein Wicht.
»Das stimmt«, pflichtete ihm Oma Morkie bei. »Wer bei solchem Wetter draußen unterwegs ist, könnte sich den Tod holen.« Sie strahlte übers ganze Gesicht. Die alten Nomen brummten leise vor sich hin, blickten zum Himmel auf und hielten angestrengt nach den ersten Anzeichen von Rotkehlchen oder Rentieren Ausschau.
Die fallenden Schneeflocken formten weiße Mauern um den Steinbruch – man konnte nicht mehr über die weiten Felder sehen.
Dorcas saß in seiner Werkstatt und beobachtete, wie sich der Schnee am schmutzigen Fenster sammelte, das Licht im Schuppen grau werden ließ.
»Nun…«, murmelte er. »Wir wollten hier isoliert sein. Und jetzt sind wir’s. Wir können nicht weglaufen. Wir können uns nicht verstecken.« Er seufzte. »Ach, wir hätten alle zusammen mit Masklin aufbrechen sollen.« Er hörte Schritte, drehte sich um und erkannte Grimma. Während der letzten Tage hatte sie viel Zeit am Tor verbracht, doch der Schnee zwang sie nun dazu, drinnen zu bleiben.
»Er kann nicht zurückkehren«, sagte sie. »Nicht bei diesem Wetter.«
»Ja, hm«, erwiderte der Ingenieur unsicher.
»Er ist jetzt seit acht Tagen fort.«
»Ziemlich lange.«
»Was hast du gesagt, als ich hereinkam?« fragte Grimma.
»Ich habe nur mit mir selbst gesprochen. Bleibt der Schnee lange liegen?«
»Das könnte tatsächlich der Fall sein, wenn Oma Morkie recht hat. Manchmal dauert’s
Wochen,
bis er taut.«
»Oh.«
»Wenn die Menschen kommen …« Grimma zögerte.
»Früher oder später bemerken sie uns. Wahrscheinlich früher.«
»Ja«, brummte Dorcas traurig, »ja, ich fürchte, da hast du recht.«
»Wie viele von uns wären imstande, äh – nun, du weißt schon –, auch weiterhin hier zu leben?«
»Vielleicht einige Dutzend. Wenn sie nicht zuviel essen und tagsüber im verborgenen bleiben. Hier gibt’s keinen Speisesaal.« Dorcas seufzte erneut. »Und wenn ständig Menschen im Steinbruch sind, ist kaum mehr an die Jagd zu denken. Sie hätte ohnehin keinen Sinn: Bestimmt gibt’s bald keine Tiere mehr in der Nähe.«
»Wir sind Tausende!« Dorcas hob wortlos die Schultern. »Es ist schon für mich schwer genug, durch den Schnee zu gehen«, sagte er. »Die älteren
Weitere Kostenlose Bücher