Die Schlacht der Trolle
als Schwester der Fürstin auch einen besonderen Einfluss auf die Voivodin. Mehr als einmal hatten ihre Besonnenheit und ihre Argumente Ionna überzeugt, wo andere vielleicht auf Granit gestoßen wären.
»Wir können die Menschen in den Dörfern nicht im Stich lassen«, erklärte der junge Adlige langsam. »Die Trolle erobern nicht, sie vernichten. Arsita wurde dem Erdboden gleichgemacht. Nur wenige Überlebende konnten fliehen. Costin ist tot.«
»Wir können unsere Flanke im Osten nicht öffnen, nur um Übergriffe abzuwehren, von denen wir weder wissen, wann oder wo, noch, ob sie überhaupt erfolgen werden. Selbst wenn im Augenblick kein masridischer Angriff droht - was denkst du, wie lange würden die Marczegs eine solche Möglichkeit ungenutzt lassen?«
»Nicht lange genug«, stimmte Sten der Voivodin zu. »Du hast recht. Aber vielleicht können wir den Trollen auch ohne Soldaten helfen. Möglicherweise lässt sich Anda irgendwie besiegen. Ich könnte …«
»Ich brauche dich, Sten. Wärst du nicht von allein hergekommen, ich hätte nach dir gesandt. Ich brauche besonnene, erfahrene Anführer an den Grenzen. Ich will kein Risiko eingehen. Übereiltes Handeln könnte das Fass zum Überlaufen bringen. Deshalb will ich, dass du das Kommando an der Grenze südlich des Magy übernimmst.«
»Ich habe den Trollen mein Wort gegeben«, wandte Sten ein. »Sie vertrauen mir und verlassen sich darauf, dass ich ihnen in unseren Ländern zur Seite stehe.«
»Sten, uns droht Krieg«, erwiderte Ionna eindringlich. »Viele unserer Soldaten kennen dich. Sie vertrauen dir. Ich vertraue dir.«
Schweigend blickte Sten die Fürstin an. In seiner Brust fand ein stiller Kampf statt. Ich habe mein Wort gegeben, außer mir haben die Trolle keinen Fürsprecher. Aber was kann ich allein ausrichten, wenn Ionna ihre Hilfe verweigert? Und wenn wirklich ein neuer Krieg ausbricht, kann ich es ihr kaum verübeln.
Die Luft in dem kleinen Saal erschien ihm plötzlich drückend und stickig, der Wein schmeckte bitter.
»Noch haben wir Zeit«, befand Sten schließlich und stellte den Becher ab. »Wir können versuchen, mehr über Anda herauszufinden. Vielleicht fällt unterdes einem der Trolle ein, was Druan gemeint haben könnte.«
»Und wenn ein Angriff kommt?«
»Dann werde ich kämpfen und unsere Ländereien verteidigen«, erklärte der junge Krieger fest.
»Das ist es, was ich von Euch erwarte, Bojar«, entgegnete Ionna feierlich. Einen Augenblick lang schaute ihn die Fürstin noch eindringlich an, dann zeigte ein kaum merkliches Nicken Sten, dass ihre Unterredung beendet war. Er drehte sich auf dem Absatz um und schritt zurück in den Thronsaal. Die an den Wänden hängenden Wappen der Wlachaken sahen auf ihn herab, als er den Saal verließ und durch die Vorhalle in die Nacht trat. Seine Schritte waren schwer und sein Kopf voller Gedanken. Wieder einmal erinnerte er sich an Natioles Worte: »Wir finden keinen Frieden, Sten, vielleicht nicht einmal, wenn das alles vorbei ist und Zorpads Knochen in der kalten Erde ruhen. Wir haben zu viel erlebt und zu viel gesehen. Aber andere werden in Frieden leben können, wenn wir siegen. Unsere Kinder können friedlich aufwachsen. Dafür kämpfe ich, Sten. Damit es in diesem Land eine Zukunft gibt!«
Der letzte Satz hallte bitter in Stens Geist. Wir haben gesiegt, und Zorpad ist tot. Aber können unsere Kinder in Frieden aufwachsen? Wieder droht Krieg. Und wenn es nicht die Masriden sind, dann die Wlachaken, die den Krieg in den Osten tragen wollen. Kann es in Wlachkis überhaupt jemals Frieden geben? Kann auf dieser blutgetränkten Erde etwas anderes als Hass und Zorn wachsen?
Als Sten aus dem Stadttor trat und die wenigen Lichter hinter sich ließ, blickte er hinauf zum Firmament. Die Dunkelheit zwischen den Sternen schien endlos zu sein. Um den Wlachaken herum lag das nächtliche Land. Die Erde unter seinen Füßen war hart und trocken, die Luft warm. Kein Geräusch drang an seine Ohren, und er hatte unvermittelt das Gefühl, seine Sinne würden sich erweitern, über das Land streifen, jeden Stein, jeden Strauch, jeden Fuchsbau aufnehmen. Dann spürte er es mehr, als dass er es hörte. Ein langsames, fernes Grollen, das an- und abschwoll. Das Land schien zu pulsieren; alles, ob Lebewesen oder unbelebter Stein, schwang sanft im Takt mit.
Dann rief ein Wächter hinter Sten die Stunde, und die seltsame Wahrnehmung verblasste so schnell, wie sie gekommen war. Das Land war nur mehr Land und
Weitere Kostenlose Bücher