Die Schlacht der Trolle
Worten wandte sie sich ab und betrat wieder das Wohngebäude, ohne Tamár noch eines Blickes zu würdigen. Dieser jedoch wartete ab, bis sie fort war, und rief dann eine der patrouillierenden Wachen zu sich.
»Wer ist denn diese Wlachakin?«
»Ihr meint die Gefangene, Herr?«
»Natürlich. Wen sonst?«
»Es sind Gesandte aus dem Westen, Vezét. Angeblich die Schwester der Löwin selbst.«
»Das war nicht Ionnas Schwester. Die habe ich schon einmal gesehen; ihr Haar ist rot!«, fuhr Tamár den Krieger an, der heftig den Kopf schüttelte.
»Nein, nicht die. Das ist ihre Begleiterin; ein Weib, das einem Dunkelgeist entsprungen sein muss. Ihre Zunge ist so spitz wie ihre Fäuste flink sind. Sie hat den armen Ferál zwischen die Beine getreten, einfach so!«
Das brachte Tamár zum Schmunzeln, auch wenn die Neuigkeit ihn wieder zornig machte. Mit einem Nicken sandte er den Soldaten wieder auf seinen Posten und schritt zurück zum Hauptgebäude, wo er nach seinem Vater suchte, der gerade eine einfache Mahlzeit zu sich nahm. Als Tamár sicher war, dass keiner der Bediensteten in der Nähe war, beugte er sich vor und sagte: »Es ist eine Gesandtschaft Ionnas hier? In der Feste? Und in Haft?«
»Ja«, antwortete Gyula schlicht und belegte eine Scheibe dunklen Brotes mit Wurst.
»Warum erfahre ich erst jetzt davon?«
Sein Vater sah ihn durchdringend an.
»Weil andere Dinge wichtiger waren. Ich wollte erst mit dem Rat sprechen und einen Plan schmieden, bevor ich die Wlachaken mit ihrem Verrat konfrontiere. Ich hätte dich schon früh genug davon unterrichtet.«
»Wie lange?«
»Was?«
»Wie lange sind sie schon hier?«
»Einige Tage«, erklärte Gyula und zuckte mit den Schultern. »Vielleicht drei oder vier.«
»Verflucht!«, brach es aus Tamár hervor. »Die Wlachaken schicken uns Viçinia cal Sares, und ich weiß nichts davon!«
»Was hätte es geändert, wenn du vor der Sitzung davon gewusst hättest?«
»Alles! Ich hätte …«, begann der junge Masride, doch sein Vater unterbrach ihn: »Das ändert nichts. Ihre Anwesenheit ist für unsere Pläne erst einmal ohne Bedeutung.«
»Wenn Ionna erfährt, dass wir ihre Schwester gefangen halten, dann weiß sie, dass Krieg droht.«
»Wenn sie selbst Krieg plant, ist das unerheblich. Und wenn nicht, haben wir mit Viçinia die perfekte Geisel.«
»Genau das hat Zorpad auch gedacht«, sagte Tamár düster und verließ seinen Vater ohne ein weiteres Wort.
Sein Zorn verflog nicht während der weiteren Sitzung, die er schweigend und grübelnd verbrachte und dabei nur mit einem Ohr den Argumenten lauschte. Wenigstens hatte er mit seinen Worten einen Erfolg erzielt, denn von einem Angriff auf die Wlachaken war keine Rede mehr, vielmehr wurde besprochen, wie man das Land und das Volk verteidigen könne. Selbst Odön plädierte nun dafür, erst einmal die eigenen Truppen zu verstärken, bevor man in den Krieg zog, wie Tamár mit grimmiger Befriedigung hörte.
Als die Versammlung sich auflöste, wollte der junge Prinz ebenfalls den Saal verlassen, um endlich ein wenig Ruhe zu finden, doch sein Vater befahl ihm zu bleiben.
»Wir müssen mit der Gesandtschaft reden, und ich wünsche dabei deine Anwesenheit.«
»Natürlich, Vater.«
Kurz darauf betraten die Wlachaken den Raum. Viçinia erkannte Tamár an ihrem dunkelroten Haar wieder. Außer von zwei nervös wirkenden Kriegern wurde sie auch von der jungen Frau begleitet, deren Auftauchen im Hof den masridischen Prinzen überhaupt erst auf die Anwesenheit der Botschafterin aufmerksam gemacht hatte.
Tamár musterte die Gesandte von Ionnas Hof. Die junge Bojarin war eine bemerkenswert schöne Frau, die eine natürliche Autorität ausstrahlte und der man im Gegensatz zu ihren Begleitern keine Unruhe anmerkte.
Während Viçinias Miene betont gelassen und ruhig blieb, funkelte die andere Frau Tamár angriffslustig an und wandte den Blick nicht von ihm, bis er sich mit einem übertriebenen Gähnen abwandte.
»Bojarin. Es erfreut mich, dass Ihr meiner Bitte um eine Unterredung nachgekommen seid«, begann Gyula das Gespräch mit erlesener Höflichkeit.
»Da wir uns als Gefangene in Eurer Gewalt befinden, würde ich diesem Umstand nicht allzu viel Gewicht beimessen, Marczeg. Gäste erscheinen freiwillig, Gefangene werden von Soldaten eskortiert.«
Mit einem Nicken und einem Lächeln quittierte Tamárs Vater diese Aussage, ohne auf die Anschuldigung einzugehen. Der Prinz selbst ließ seinen Blick wieder zurück zu der
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