Die Schlacht der Trolle
Immerhin verbietet euer Gesetz dies.«
»Gesetz. Pah!«, antwortete Pard. »Wir haben keine Gesetze. Es geschieht einfach nicht, es gibt nichts Schlimmeres, was ein Troll tun kann. Niemand würde einem Trollmörder Unterschlupf gewähren. Und wenn man allein ist, wartet der Tod überall.«
»Eure Heimat klingt nicht sehr angenehm für meine Ohren. Es ist kein Wunder, dass so wenige Menschen sie besuchen.«
»Es ist die Heimat meines Volkes. Sie macht uns erst zu Trollen. Stark! Hart!«, verkündete Pard stolz.
»Wieso folgen dann manche Trolle Anda, wenn doch ihre Taten allem widersprechen, was dein Volk kennt?«
Kerr schüttelte langsam den Kopf, und auch Pard hatte darauf anscheinend keine Antwort parat.
»Egal«, sagte Sten mit einem Seufzen. »Macht euch bereit, wir brechen so bald wie möglich auf.«
Mit einigen gebellten Befehlen verwandelte Pard den ohnehin schon überfüllten Stall in ein absolutes Chaos. Die Trolle sammelten ihre wenigen Habseligkeiten ein, während Sten in den Hof trat und die Vorräte inspizierte, die dort zusammengetragen worden waren. Nach seinen Anweisungen hatten die Schuster aus Dabrân einige grobe Lederbeutel genäht, die für Trolle passend waren. Dazu kamen einige Fässer und Lederschlingen, um diese tragen zu können. Die Lederarbeiten waren nicht schön, aber praktisch. Während Sten noch kurz mit Vasile sprach, traten die ersten Trolle bereits aus dem Stall.
»Hier drüben«, rief Sten und wies auf die Vorräte. »Jeder soll sich etwas nehmen.«
»Viel Glück, Bojar«, sagte Vasile unvermittelt, und Sten grinste ihn an.
»Keine Sorge, ich komme schon zurück. Ist nicht das erste Mal, dass ich mit Trollen umherziehe.«
Mit einem freundschaftlichen Schlag auf die Schulter verabschiedete er sich von dem Soldaten und sah den Trollen zu, die unter Pards Führung die Vorräte aufteilten und einsteckten. Einige derbe Trollflüche später war ihre Gruppe zum Abmarsch bereit, und Sten führte sie durch das Tor der Feste hinaus. Auf dem nördlichen Torturm sah er eine grauhaarige, groß gewachsene Frau stehen, seine Verwalterin Riclea, die während seiner Abwesenheit die Geschäfte der Feste leiten würde. In Dabrân blieb währenddessen die Führung in der Hand des Bürgermeisters. Beide hatten sich bisher als fähig erwiesen. Mit erhobener Hand grüßte Sten Riclea, die zurückwinkte, dann bog er nach Norden ab und führte die Trolle an der Mauer der Burg entlang weg von Dabrân, auch wenn die Straße eigentlich zu der Stadt und von dort aus weiter nach Teremi führte.
Der Himmel war wolkenlos, und der helle Mond spendete genug Licht, um ohne Laterne den Pfad zu finden. Hinter sich hörte der junge Wlachake das tiefe Murmeln einiger Trolle und ihre schweren Schritte, doch er konzentrierte sich auf das Land vor ihm, auf die sanften Hügel, die noch von Feldern bedeckt waren, in der Ferne aber schon den dichten Wald erkennen ließen, der in so vielen Geschichten der Wlachaken eine wichtige Rolle spielte. Dort werden wir sicher sein, dachte Sten und musste plötzlich schmunzeln. Ich ziehe mit fast dreißig Trollen durch die Nacht und denke an Sicherheit! Dabei würde uns wirklich nur ein Wahnsinniger angreifen. Insofern bin ich wohl ohnehin sicher. Zumindest solange keiner der Trolle plötzlich Hunger auf Menschenfleisch bekommt.
Die frische Nachtluft belebte seinen Geist, und er ertappte sich dabei, wie er ein altes Lied über die Raben des Mardews pfiff. Der sternenübersäte Himmel, das schlafende Land, alles erschien ihm friedlich und von kaum fassbarer Schönheit. Verwirrt über die eigene gute Laune, die so im Widerspruch zu dem stand, wie er sich eigentlich fühlen sollte, atmete Sten tief ein. Und plötzlich wurde ihm klar, was ihm so viel Freude bereitete: wieder unterwegs zu sein, ein klares Ziel und eine deutliche Aufgabe zu haben.
Seit Viçinias Aufbruch war ihm die Festung mehr und mehr wie ein Gefängnis erschienen. Die zahllosen kleinen und großen Probleme seiner Baronie warteten darauf, dass er sich um sie kümmerte und sie löste, selbst wenn er weder Erfahrung noch genügend Wissen dafür mitbrachte. Es lag nicht in seiner Natur, Angelegenheiten zu verschleppen, aber mehr als einmal hatte er sich angesichts der Verwaltung von Dabrân hilflos gefühlt. Viele Entscheidungen mussten getroffen werden, Entscheidungen, welche die Bewohner direkt betrafen. Mit Viçinia an seiner Seite hatte er eine Vertraute gehabt, mit der er über die Probleme hatte sprechen
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