Die Schlacht der Trolle
sterben.«
»Gibt es keinen Ausweg? Keine Fluchttunnel, keine Ausfallpforte, keine …«
»Mein Vater ist Herr über dieses Land, und er hat seine Entscheidung getroffen!«, unterbrach Tamár sie barsch.
»Euer Vater sitzt irgendwo dort unten und ignoriert die Schlacht!«
»Eure Anmaßung gereicht Euch nicht gerade zur Ehre«, erwiderte Tamár mit einem bitteren Lachen, das rasch in einen Hustenanfall umschlug und seine Wunden schmerzen ließ.
»Ihr seid verwundet«, stellte Flores trocken fest.
»Solcherlei geschieht in Schlachten. Ihr solltet es einmal ausprobieren.«
»Gebt mir ein Schwert, und ich kämpfe an Eurer Seite.«
»Mein Vater …«
»Sitzt unten und schweigt«, unterbrach die Wlachakin ihn. »Und hier oben werdet Ihr bald jeden Arm benötigen, der eine Klinge führen kann.«
»Wir werden nicht um Hilfe betteln!«
»Sie wird Euch aus freien Stücken angeboten, Ihr dickköpfiger, sturer Narr!«, fauchte Flores, doch Viçinia brachte sie mit einem Blick zum Schweigen. Sie legte Tamár die Hand auf den Arm und sagte eindringlich: »Ruht Euch aus. Trinkt etwas. Während Eure Feinde in der Stadt ihren ersten Sieg feiern, bleibt uns Zeit. Nutzt sie zum Nachdenken!«
Ohne die beiden Wlachakinnen noch eines Blickes zu würdigen, wandte der junge Masride sich ab und schritt zurück in das Innere des Turmes. Er konnte weder die Worte noch den Anblick des brennenden Turduj länger ertragen. Was ist, wenn sie recht haben?, fragte er sich erschöpft. V ielleicht sollten wir versuchen zu fliehen? Nein, wir werden für Vater weiterkämpfen und die Stadt niemals aufgeben!
Aber irgendwo tief unten in seinen Gedanken lauerte die Gewissheit, dass die Stadt längst verloren war. Wütend hieb er mit der Faust gegen die harte Steinwand. Er wollte schreien, doch kein Laut kam über seine Lippen. All die widerstreitenden Gefühle schnürten ihm die Kehle zu und lähmten ihn, wo er doch so viel zu tun, so viele Aufgaben hatte. Er musste sich um seine Leute kümmern, damit sie in den kommenden Stunden nicht verzweifelten. Nur konnte er sich kaum auf einen klaren Gedanken konzentrieren. Zumindest in einem haben sie recht: Ich sollte mich ausruhen.
Aber die Nacht brachte ihm wenig Erholung. Obwohl sein Körper danach schrie, verweigerte Tamárs Geist ihm jede Rast. Vielleicht waren es auch die Schreie und Rufe aus der dunklen Stadt, durch deren Straßen Fackeln wie Leuchtkäfer zogen und deren Mauern hier und da im zornigen Rot einer Feuersbrunst erglühten. Unbewegt stand Tamár auf dem Torturm, nachdem er den fruchtlosen Versuch, sich zum Schlafen zu zwingen, aufgegeben hatte. Unter ihm starb Turduj einen langsamen, qualvollen Tod, und er nahm jede Einzelheit in sich auf. Im Geiste sah er die Stadt, wie sie noch vor wenigen Tagen war, doch seine Augen erblickten nur Feuer und Vernichtung. Offensichtlich hatte Marczeg Laszlár seinen Kriegern freie Hand gelassen, denn statt die Feste zu bedrohen, plünderte die Armee, während nur ein kleiner Teil die Straßen und Plätze um die Burg besetzt hielt und den Belagerten jede Flucht unmöglich machte.
Mehr noch als die körperlichen Wunden, die man ihm zugefügt hatte, schmerzte den jungen Prinzen die Unfähigkeit, seine Stadt zu retten. Äußerlich blieb er gefasst, damit seine Untergebenen nicht den Mut verloren. Doch in ihm brodelten finstere Gedanken und Gefühle.
»Vezét?«, fragte Köves, der sich unermüdlich um Tamárs Wohl kümmerte und seine Befehle weitergab.
»Was?«
Vorsichtig trat der Szarke näher und flüsterte: »Der Marczeg, Vezét. Die Soldaten tuscheln bereits. Seine Abwesenheit bricht ihnen das Herz. Wenn er sich zeigen würde …«
»In dieser Nacht wird nicht viel passieren, Köves. Warten wir ab, was der Morgen bringt.«
»Ja, Herr.«
»Was ist mit den Wlachakinnen? Sind sie noch …«
»Nemes Viçinia hat sich in ihre Kammer zurückgezogen, aber die andere war noch oben, als ich auf den Turm gestiegen bin.«
Geistesabwesend nickte Tamár. Die Worte der Wlachakinnen gingen ihm nicht aus dem Kopf. Obwohl er nicht mehr glaubte, dass sie mit Laszlár Szilas unter einer Decke steckten, war er nicht sicher, ob man ihnen vertrauen konnte. Und die Vorstellung, zu fliehen und sich mit den Soldaten im Westen und Norden zusammenzutun, hatte etwas Verlockendes. Gemeinsam mit dem Rest der Armee könnten sie Szilas in einer Schlacht stellen und den Krieg noch gewinnen. Abrupt drehte Tamár sich um.
»Ich werde mit meinem Vater reden.«
Auch wenn
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