Die Schlacht der Trolle
ihm mulmig. Wirklich große Gruppen von Trollen fanden sich nur selten zusammen. Jeder Stamm lebte für sich, und die Pfade kreuzten sich nur zu wenigen Gelegenheiten. Nahrung und Wasser waren kostbar und selten unter der Erde, so dass die Stämme immer wieder weite Wanderungen unternehmen mussten. Die Gebiete der einzelnen Gruppen waren groß, mussten groß sein, um alle Trolle eines Stammes zu ernähren. Selbst Pards Stamm hatte zu den besten Zeiten aus kaum mehr als zehn Händen Trolle bestanden. Das war vor dem letzten Angriff der Zwerge gewesen, der viele Leben gekostet und Pard mitsamt Druan und den anderen an die Oberfläche getrieben hatte.
»Wie dem auch sei, es ist gut, wenn ihr mich begleitet. Eure Anwesenheit wird zeigen, dass die Lage ernst ist. Nur werden die Ohren der Menschen wohl eher für meine Worte offen sein als für die euren. Es tut mir leid …«, entschuldigte sich Sten, aber Pard winkte ab.
»Wir würden auch nicht auf Menschen hören, wenn Trolle etwas zu sagen haben. Außerdem«, fügte der massige Troll gerissen hinzu, »solange du sagst, was wir wollen, ist es egal, wer die Worte ausspricht!«
Während Sten in das Erdgeschoss des Hauses zurückkehrte, um den endgültigen Untergang der Sonne abzuwarten, wandte sich Pard an die versammelten Trolle: »Hört zu! Ich und Kerr gehen zu dem Ort der Menschen. Ihr wartet hier, bis wir wiederkehren. Oben gibt es noch viel Fleisch, davon könnt ihr nehmen, so viel ihr wollt. Aber ansonsten bleibt ihr hier unten. Klar?«
Ein zustimmendes Grummeln ging durch die Trolle, und Pard nickte zufrieden. Überhaupt schien der große Troll außergewöhnlich gut gelaunt zu sein. Er ließ die Knochen seiner Finger lautstark knacken und raffte seine Besitztümer zusammen.
Als Sten endlich seinen Kopf durch die Luke steckte und »Wir können los« rief, atmete Kerr erleichtert auf. Die Warterei hatte ihn nervös gemacht, jetzt konnten sie wenigstens etwas tun.
Gemeinsam mit Pard stieg der junge Troll hinauf in das Haus und trat dann hinaus in die Nacht. Ein großer, bleicher Mond hing tief über dem Horizont. Die Luft war noch warm vom Tage und roch frisch, wenngleich stechend nach Pflanzen und Humus. In der Luft schwirrten Insekten, und Kerrs scharfe Ohren hörten das Schlagen ledriger Flügel. Dann sah er auch die Fledermäuse, die in wildem Flug durch die Nacht glitten, sich überschlugen, enge Kurven zogen und allen Hindernissen geschickt auswichen. Wenn die Trolle auf ihren Wanderungen näher an die Oberfläche kamen, trafen sie manchmal auf die nachtaktiven Tiere, und Kerr freute sich, andere Bewohner der Höhlen hier zu treffen.
»Los jetzt!«, knurrte Pard, und Kerr schloss sich ihm und Sten an. Der Mensch roch ganz anders als in den letzten Nächten. Sein Geruch war verändert, viel schwächer und mit einem fremden Aroma durchsetzt. Auch die Kleidung war eine andere und roch nicht mehr so nach Mensch und Erde wie zuvor, sondern mehr nach Pflanzen. Verwundert sog Kerr die Luft in die Nüstern und versuchte, die Änderung zu ergründen.
»He!«, rief Sten. »Tu nicht so, als würde ich stinken!«
»Du riechst merkwürdig«, stellte Kerr fest.
»Ich habe ein Bad genommen. Und saubere Gewänder angelegt. Ich wollte nicht in meiner verdreckten Reisekleidung vor den Rat treten. Das hätte keinen guten Eindruck gemacht.«
»Sollten wir auch …«
»Fang gar nicht erst mit so einem Scheiß an«, knurrte Pard. »Das ist bloß für Menschen gut. Glauben sie zumindest.«
»Schon gut.« Sten lachte. »Ihr braucht kein Bad zu nehmen.«
Verwirrt trottete Kerr weiter. Manchmal verstehe ich Menschen nicht, dachte er.
»Der andere Mann hat komisch gerochen«, erinnerte sich der junge Troll. »War das der Halbzwerg?«
»Nein, er ist ein Mensch, auch wenn Pard das nicht glauben mag«, erwiderte Sten mit einem Lachen. »Sein Name ist Sargan, und er kommt von weither: Er ist Dyrier.«
»Ist er der Lautmaler?«
»Ja. Woher weißt du das?«
»Druan hat mir davon erzählt. Er hat mir viele Laute beigebracht. Man kann sie mit Stein in Fels ritzen.«
»Du kannst schreiben?«, fragte der Mensch verwundert.
»Laute malen. Ja. Druan sagte, es sei wichtig, das Wissen zu behalten. Er hat es immer auf Wände gemalt«, erläuterte der junge Troll, aber dann fiel sein Blick auf die Lichter der Stadt vor ihnen, und alle anderen Gedanken waren vergessen.
Vor dem etwas helleren Himmel erhoben sich die Gebäude als dunkle Schemen. Hier und da waren kleine, gelbliche
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