Die Schlacht der Trolle
Lichter zu sehen, die warm in der Dunkelheit funkelten. Rechts von der kleinen Gruppe floss der breite Strom, dessen Wasser leise gurgelte. Zu ihrer Linken befand sich ein freies Feld, das von einer dunklen Waldlinie begrenzt wurde. Zwischen diesem Fluss und dem Wald lag die Stadt. Selbst aus dieser Entfernung konnte Kerr Geräusche hören, vereinzelte Stimmen, den Ruf eines Tieres. Vor der Mauer der Stadt brannte ein Feuer am Wegesrand. Dort stand eine Handvoll Menschen und Pferde. Das Licht des Feuers erleuchtete das Tor der Stadt, und Kerr staunte, wie hoch die Mauer war. Sicherlich zwei oder gar drei Trolllängen, und die Türme waren sogar noch um einiges höher.
Als Sten und die Trolle sich näherten, stiegen die wartenden Menschen auf ihre Tiere und kamen ihnen langsam entgegen. Allen voran ritt ein älterer Mann, dessen dunkle Haare von vielen grauen Strähnen durchzogen waren. Der sehnige Krieger war gerüstet, an seiner Seite hing eine lange Klinge. Mit erhobener Hand grüßte sie der Mensch und nickte Sten zu.
»Sten cal Dabrân. Es ist schön, Euch zu sehen.«
»Neagas«, antwortete Sten mit einem Lächeln. »Gleiches gilt für Euch. Ich hörte, Ihr habt Ionnas Angebot, ein eigenes Lehen zu erhalten, abgelehnt?«
»Ich fühle mich noch nicht alt genug, um auf einer Burg meine Knechte umherzuscheuchen. Ich denke, ich kann der Fürstin bei Hof noch zu Diensten sein.«
»Das bestreitet wohl niemand. Eure Verdienste im Kampf sind uns allen wohlbekannt. Seid Ihr hier, um uns zur Feste zu eskortieren?«
»Ja. Wir werden Euch durch die Stadt führen. Wenn Ihr uns folgen wollt …«
Damit wendete er sein Pferd, und seine Gefolgsleute taten es ihm gleich. Sten folgte ihnen, während Pard neben Kerr herlief und sagte: »Den kenne ich! Sein Geruch liegt mir noch in der Nase. Der hat mitgekämpft, in der Schlacht.«
Sten wandte sich zu ihnen um. »Das ist Neagas. Er ist der Anführer der Reiterei. Unter seiner Führung ist Ionnas Kavallerie zweimal siegreich gegen Zorpad gestürmt. Er ist ein mutiger und besonnener Krieger.«
»Anders als Freund Sten«, ertönte die Stimme des Veteranen von der Spitze. »Der ist mehr für seine Unbesonnenheit bekannt.«
»Viele Wege können ans Ziel führen, Neagas«, erwiderte Sten lachend.
»Die Reiter sind stark«, erklärte Pard ernst, ohne sich um die Worte der Krieger zu kümmern. »Aber wir Trolle sind stärker. Ohne ihre Tiere sind sie auch nur einfache Menschen. Aber wir bleiben stark.«
Stumm nickte Kerr, doch er hörte nur mit einem Ohr zu. Gerade passierten sie das Tor der Stadt. Durch den hohen Bogen konnten selbst die Trolle hindurchschreiten, ohne die Köpfe einziehen zu müssen. Selbst als Kerr sich reckte, streiften seine Fingerkuppen nur mit Mühe die rauen Steine über ihnen. Dabei bemerkte er Löcher in der Decke, die mit Gittern versperrt waren. Sten, der den neugierigen Blick wahrnahm, blieb stehen und erklärte: »Das sind die Mörderlöcher. Wenn die Stadt angegriffen wird und der Feind das erste Tor gestürmt hat, dann gibt es da hinten noch das Gitter. Während die gegnerischen Soldaten versuchen, dort durchzubrechen, können die Verteidiger sie von oben durch die Mörderlöcher bekämpfen.«
»Wieso kämpft ihr nicht draußen?«
»Welchen Sinn hätte dann die Stadtmauer? Man baut Burgen und Stadtmauern, weil man sie einfacher verteidigen kann.«
»Die Mauer ist zum Schutz?«, fragte Kerr erstaunt.
»Ja. Was dachtest du denn?«
»Vielleicht um den Stamm zusammenzuhalten. Damit niemand einfach gehen kann.«
Darauf lachte Sten, dass es von den Wänden als Echo zurückgeworfen wurde. Wie in den Gebeinen der Welt.
»Nein. Die Mauern sind dafür da, um die Menschen zu schützen.«
»Kommt schon«, rief Pard, der den Reitern gefolgt war und sich nun ungeduldig nach den Nachzüglern umschaute.
Jetzt sah Kerr die Stadt mit ganz neuen Augen. In Druans Erzählungen hatte er nie verstehen können, warum die Menschen in so großen Orten so eng zusammenblieben. Höhlen über der Erde zu errichten machte wohl Sinn, wenn man Pard glauben konnte, dass hier oben häufig kaltes Wasser vom Himmel fiel. Aber die eng zusammengebauten Städte, von denen die Trolle erzählt hatten, hatte Kerr kaum vernünftig gefunden. Wer so viel Platz hat, muss doch nicht so beengt leben. Jeder Stamm könnte doch eigene Höhlen haben. Aber wenn sie sich so schützen … Das erinnerte Kerr an die Zwerge, die den Zugang zu ihren unterirdischen Behausungen versiegeln konnten
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