Die Schlacht von Trident
Ohmacht oder ähnliches handelte.
Doch es half nichts. Der Raisa war tot. Eindeutig.
Der Erste Priester wandte sich um und blickte in erwartungsvolle Gesichter. Der Satz, den er jetzt sagen würde, würde das Leben der Kridan in den nächsten Jahren grundsätzlich ändern. Mit dem Tod eines Raisa wurde alles anders. Der Krieg musste unterbrochen werden, ein neuer Raisa, ein neues Ei in einem Gelege gefunden werden.
Das alles kostete Zeit. Zeit, in der die Militärs nichts weiter tun konnten als zu trainieren, für den Tag, an dem der neue Raisa alt genug war und wieder einen Angriff befahl.
Bis dahin aber hatten die Priester das Sagen, denn sie stellten das Komitee, das den neuen Raisa bestimmen würde. Und erfahrungsgemäß konnte das mehrere Jahre dauern.
Jahre, in denen sich die Kridan wieder mehr auf ihre religiösen Wurzeln und Praktiken besinnen können , freute sich der Erste Priester. Natürlich überwog in diesem Moment aber die Trauer um den Raisa in seinen Gedanken. Dementsprechend feierlich betrübt verkündete er:
»Der ehrenwerte Raisa, das Oberhaupt unseres Glaubens und der rechtmäßige Stellvertreter Gottes auf Kridania … ist tot!«
Ein kollektiver Aufschrei entfuhr der versammelten Menge, aber es klang mehr nach Pflichtschuldigkeit als nach echter Anteilnahme. Jeder, der den Raisa zuvor schon hatte am Boden liegen sehen, wusste, das es um den alten Kridan geschehen war.
»Wir müssen es dem kridanischen Volk unverzüglich mitteilen!«, forderte der Erste Priester. »Informiert die Mediennetze. Ich werde eine entsprechende Nachricht formulieren und …«
»Kommt überhaupt nicht in Frage!«, donnerte eine tiefe Stimme von der Tür des überfüllten Raumes her. Alle Vogel-Augenpaare wandten sich sofort um, weil sie die Stimme erkannt hatten, die dort gesprochen hatte. Sie war in den letzten Tagen unablässig aus den zahlreichen in der Stadt hängenden Lautsprechern erklungen.
Die imposante Gestalt des Mar-Tanjaj zwängte sich in das Schlafzimmer des Raisa hinein. Er blickte dem Ersten Priester direkt in die Augen. Die Spannung, die zwischen den beiden Obersten der herrschenden Klassen der Kridan herrschte, was beinahe greifbar.
»Wir können den Tod des ehrenwerten Raisa jetzt nicht bekannt geben!«, rief er über die Köpfe der Anwesenden hinweg, während er auf den Ersten Priester zuschritt. Die Menge macht ihm automatisch Platz, so viel Autorität strahlte der Krieger aus. »Wir sind gerade dabei, in der Schlacht gegen die Menschen einen ehrenvollen und Gott gefälligen Sieg zu erringen! Wenn wir die Kämpfe jetzt einstellen, sind heute Hunderte von Tanjaj umsonst in das Reich Gottes eingegangen.«
Die Menge murmelte unschlüssig. Schnabelschaben, teils aus Protest, teils als Zustimmung wurde laut. Jetzt warteten alle wieder auf die Antwort des Ersten Priesters.
Der ließ die Leiche des Raisa hinter sich und schritt selbstbewusst auf den sich weiter nähernden Mar-Tanjaj zu. »Du kennst die Regeln und Traditionen, Mar-Tanjaj, die aufs Strengste zu befolgen sind, wenn ein Raisa stirbt. Diese Jahrtausende alten Vorschriften haben auch für uns nichts an Gültigkeit verloren. Darin heißt es eindeutig, dass jede Kampfhandlung der Kridan sofort einzustellen ist, sobald ein Raisa verstorben ist. So leid es mir tut und so ungünstig auch der Zeitpunkt erscheinen mag, edler Mar-Tanjaj, aber daran haben sich auch du und deine Krieger zu halten.«
Der Mar-Tanjaj baute sich wütend vor dem Priester auf. »Du scheinst nicht zu verstehen, Erster Priester! Wir sind gerade dabei, einen jahrelang vorbereiteten Schlag zu führen und einen erbitterten Feind zu besiegen! Wir können jetzt nicht einfach damit aufhören.«
»Ihr müsst sogar!«, forderte der oberste Priester. »So will es Gott!«
»Das kann Gott gar nicht wollen! Warum lässt Er Tausende Kridan auf den Schlachtfeldern der Menschen sterben, nur um in diesem Moment Seinen Stellvertreter auf Kridania abzuberufen? Das macht doch keinen Sinn!«, ereiferte sich der erfahrene Krieger.
»Er hat Recht! Hört auf den Mar-Tanjaj!«, riefen einige der Selif-Tanjaj hinter dem Ersten Priester. Sie sicherten weiter die heilige Leiche des Raisa.
Tumult brach in dem kleinen Schlafzimmer los. Anhänger der Priesterschaft redeten ununterbrochen mit den Krallenhänden gestikulierend auf die anwesenden Krieger ein. Diese wiederum argumentierten umgekehrt. Das Streitgespräch der beiden Anführer, dem sie gerade beigewohnt hatten, wiederholte sich nun
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