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Die schlafende Stadt

Die schlafende Stadt

Titel: Die schlafende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steiner
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erst zwanzigjährigen Cellisten, ungestüm und doch so samtig im Klang. Die Zuhörer waren augenscheinlich gebannt von der temperamentvollen Darbietung. Es war ein großes Ereignis, dem sie hier beiwohnten, dies war zu spüren.
    Und doch war auch ein leichtes Befremden in einigen Gesichtern zu sehen. Dies mochte womöglich daran liegen, dass einigen Anwesenden das Cellokonzert von Camille Saint-Saëns recht unbekannt war, an diesem Konzertabend im Mai 1933.
    Doch die wahren Gründe lagen noch woanders.
    Als er geendet hatte und er sich verbeugte, wurde Haralds stolzes Lächeln schnell getrübt. Wohl brandete begeisterter Beifall auf, doch blieben einige mit verschränkten Armen und verkniffenen Mündern sitzen. Einige der Zuhörer, jene in den schwarzen Uniformen, erhoben sich und verließen den Raum.
    Harald lächelte irritiert.
    Hatte er etwas falsch gemacht?
    Er wurde unruhig und begann zu schwitzen. Gewiss, er hatte seine eigene, wilde Art zu spielen, doch seine Technik war ausgefeilt und virtuos. Dies sollte sein Abend werden, der erste vor wirklich ausgesuchtem Publikum. Wie viel hatte er dafür gearbeitet, was hatte er darum gezittert!
    Fragend sah er zu Roman hinüber, seinen Begleiter am Flügel. Roman lächelte und bedeutete ihm, dass alles mehr als in Ordnung sei.
    In der Garderobe warteten sie. Drei waren es, alle in der schwarzen Uniform der Schutzstaffel. Einer war bereits leicht ergraut und offenbar ihr Ranghöchster, ein weiterer vierschrötiger Kerl lümmelte auf dem Stuhl in der Ecke. Ein dritter, recht junger blasser Mann, mit vielen Pickeln übersät, saß auf der Fensterbank.
    „Herr Nachtmann! Ich freue mich außerordentlich, Sie persönlich kennenzulernen!“
    Der Ergraute hatte ein breites Lächeln aufgesetzt und reichte ihm die Hand. Kein Hitlergruß, nur eine einfache Begrüßung.
    Roman wollte ebenfalls eintreten, aber eine kurze Geste des SS-Offiziers genügte, um den Jungen aufspringen zu lassen und Roman die Tür zu verwehren.
    „Ich möchte mich für unser ungehobeltes Benehmen entschuldigen, junger Freund. Aber ich komme aus Freundschaft.“
    Er lud Harald ein, Platz zu nehmen, als sei er der Herr im Haus.
    „Darf ich mich vorstellen: Mein Name ist von Kummerow, SS-Standartenführer. Der junge Herr dort in der Ecke ist Oberscharführer Markheim, und der draußen vor der Tür bei Ihrem Freund ist Rottenführer Krause.“
    Harald öffnete zunächst seinen Kasten und legte sein Cello behutsam hinein.
    „Ein schönes Instrument haben Sie da. Ich hoffe aufrichtig, Sie noch oft darauf spielen zu hören.“
    „Das hoffe ich auch“, sagte Harald und setzte sich.
    Von Kummerow verschränkte die Arme.
    „Das hängt ein kleines bisschen von Ihnen ab, junger Freund.“
    „Ist etwas nicht in Ordnung?“
    Harald waren die Kerle aufs Tiefste zuwider, aber sie machten ihm auch Angst.
    „ ‚Ist etwas nicht in Ordnung?’ will er von uns wissen!“ lachte von Kummerow ihn nachäffend und blickte zu seinem Oberscharführer.
    Harald schwieg verunsichert.
    „Nun, zunächst mal fänden wir es etwas angebrachter, wenn sie deutsche Komponisten spielten und nicht diesen französischen Mist.“
    Harald wollte antworten, aber von Kummerow schnitt ihm das Wort ab.
    „Aber was noch viel unpassender ist“, sagte er mit schneidender Stimme und kam mit seinem Gesicht ganz nah an Harald heran, „ist Ihr Korrepetitor.“
    Er schnappte sich das Konzertprogramm und las gekünstelt und affektiert vor:

    Bedeutungsvoll hob er die Augenbrauen.
    „Roman Fey-gen-baum .“
    Er wandte sich um.
    „Oberscharführer, fällt Ihnen was auf?“
    Markheim grinste. „Das will ich wohl meinen.“
    Von Kummerow blickte nun gar nicht mehr freundlich.
    „Er ist Jude , Ihr Herr Pianist!“
    „Für mich ist er vor allem ein guter Konzertpartner“, entgegnete Harald.
    „Halten Sie Ihr dämliches Maul, Sie Grünschnabel!“ zischte von Kummerow.
    Ganz freundlich lächelnd redete er weiter: „Ich rate Ihnen in Ihrem eigenen Interesse: Schmeißen Sie ihn raus! Geben Sie sich nicht mit Juden ab, wenn Sie weiter konzertieren wollen. Sie werden einen besseren Begleiter finden.“
    „Das werde ich schwerlich!“ entgegnete Harald trotzig. Roman war seit mehreren Jahren ein guter Freund. Es war ihnen als gute Idee erschienen, sich gemeinsam Stücke zu erarbeiten.
    Von Kummerow schüttelte mit gespieltem Bedauern den Kopf.
    „Tzsss, tzsss, tzsss ... da gehört jemand wohl zu den Unbelehrbaren. Scheint zumindest

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