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Die schlafende Stadt

Die schlafende Stadt

Titel: Die schlafende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steiner
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nicht gut an“, sagte Berthold in den Hörer.
    Leni hörte das zischelnde, abgehackte Stammeln einer Antwort.
    „Nein, so meine ich das nicht“, sagte Berthold ernst. „Es klingt so, als seiest du nervlich völlig am Ende. – Nein, nicht direkt irre! Aber sehr überreizt ... – Warum sollte der denn in deiner Wohnung sein? - ... – Und wie sollte er dort hineingekommen sein? – Aber was sollte denn dein Stationspfleger dafür können?“
    Die Stimme am anderen Ende sprach jetzt äußerst aufgeregt. Hohe Kiekser mischten sich den Wortschwall, unterbrochen von langgezogenen, stotternd ausgestoßenen Tönen. So als heulte der Anrufer hysterisch.
    Leni begann am ganzen Körper zu zittern. Ihre Augen waren vor Entsetzen weit aufgerissen. Sie schlug die Hände vor ihren Mund.
    „Jetzt beruhige dich erstmal“, sagte Berthold, der jetzt mit einem flüchtigen Blick durch die Tür gemerkt hatte, dass irgendetwas nicht in Ordnung war.
    „Hör mal, ich muss mal zu meiner Freundin. Ihr geht es nicht gut. – Ja, sicher ist sie hier. Warum? - ... - Was soll denn das mit dir zu tun haben?“
    Die Stimme wurde jetzt lauter.
    Berthold schaute nervös auf Leni und bedeutete ihr, dass er sofort für sie da sein werde.
    „Du bist ja verrückt!“ rief er jetzt ins Telefon. „Na, wenn da wirklich etwas in deinem Schlafzimmer ist, dann geh’ doch zur Polizei! – Wieso geht das nicht...? – Die werden dir schon nichts tun! – Jetzt atme doch erst mal durch! - Jetzt hör mir zu: Ich würde dir dringend raten, in die Notaufnahme zu gehen! – Weil es sich nach einer Psychose anhört! Du brauchst dringend Hilfe!“
    Wieder aufgeregtes Heulen am anderen Ende der Leitung.
    „Aber mehr kann ich da auch nicht tun! Ich ... warum gehst du dann nicht zu deinen Eltern? - ... - Nein, das ist doch kompletter Unsinn!“
    Berthold rollte nervös die Augen.
    „Ich lege jetzt auf!“ sagte er bestimmt. „Ich muss mich um Leni kümmern! Ich habe dir alles geraten, was mir einfällt!“
    Er legte den Hörer auf und fixierte ihn kurz, als sei er ein Skorpion oder irgendein bedrohliches Reptil. Dann eilte er zur zitternden Leni.
    „Um Himmels Willen, was ist mit dir?“
    Bertholds Arme waren wie eine Erlösung.
    Leni klammerte sich an ihn und weinte. Berthold hielt sie stumm und fragend fest und streichelte sie. Dann beugte er sich zu ihr und sah ihr in die Augen. Sie war kreidebleich.
    „Was hast du denn nur?“ fragte er besorgt.
    Lenis Unterlippe zitterte noch ein wenig.
    „War das Robin?“ fragte sie mühsam, „Robin Frauendorff?“
    „J... ja! Du kennst ihn?“
    Leni nickte, während ihr die Tränen erneut in die Augen schossen. Sie brauchte eine Weile, um sich zu sammeln. Berthold entdeckte jetzt klopfenden Herzens, dass sie am ganzen Körper zitterte und schwitzte. Seine eigene Angst war dagegen so fern wie nie.
    „Er war in meinem Zeichenkurs“, flüsterte Leni. „Er wollte Portraits von mir malen.“
    „Robin? Portraits? Seit wann will dieser grobe Klotz das denn können?“
    „Er folgte mir auf meinem Weg nach Hause. Dann fing er an, mir Komplimente zu machen.“
    Berthold sagte nichts. Eine vage Ahnung stieg in ihm auf.
    „Dann gestand er mir, dass er verliebt in mich sei.“
    Leni sah scheu zu ihm. Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
    „Und dann wollte er sich mit mir verabreden. Und das wollte ich nicht.“
    „Und dann wurde er sauer“, sagte Berthold tonlos. Jetzt wusste er, was Leni ihm gleich erzählen würde. Noch wollte er es nicht wahrhaben.
    Das Telefon begann wieder zu klingeln. Berthold hörte nicht hin.
    „Sprich weiter!“ sagte er und griff ihre Hand.
    „Er wurde immer aufdringlicher. Und dann wurde er wütend. Und dann fiel er über mich her.“
    Berthold hatte jetzt ebenfalls zu zittern angefangen. In seinem Hals befand sich plötzlich ein dicker Kloß.
    „Er fing an, mich zu betatschen und zu küssen. Dann wehrte ich mich, Ich trat ihn zwischen die Beine und biss ihm in die Wange. Dann lief ich fort.“
    „Und dann?“
    „Dann schlug er auf mich ein. Erst ins Gesicht ...“
    Ein Weinkrampf ließ ihre Stimme ersterben.
    „Dann schlug er mich in den Magen. Er stieß mich eine Treppe hinunter. Dann hat er mich überall angefasst ...“
    „Dieses elende Schwein!“
    „Dann spürte ich noch einen harten Schlag und merkte nur noch einen tiefen Schmerz zwischen meinen Beinen ... und dann nichts mehr.“
    Berthold spürte plötzlich einen heftigen Würgereiz. Er hatte die Zähne so fest

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