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Die schlafende Stadt

Die schlafende Stadt

Titel: Die schlafende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steiner
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Messingbeschlägen schien fort, und bei näherem Hinsehen schien ihm, als habe jemand an den Manuskripten weitergearbeitet.
    Freudig erregt eilte er zu Bedas Schlafkammer und öffnete die Tür.
    Beda lag in seinem Bett.
    Dankwart stand da, schwankend zwischen Enttäuschung und Frohlocken. Totenstille herrschte hier, und nur die Meeresbrise von draußen verursachte ein leises Wehen der Vorhänge.
    Dankwart näherte sich mit der Vorsicht des Zweifelnden. Ängstlich berührte er das Laken und zog sachte daran.
    Beda musste sich bewegt haben, das war klar. Hatte er in seinem leichenhaften Zustand noch auf dem Rücken gelegen wie aufgebahrt, so lag er jetzt auf der Seite, den Körper gebeugt und die Beine angewinkelt.
    Er war genesen, kein Zweifel.
    Sein Nasenbein war wieder gerade. Die fahle Blässe, die eklen Flecken waren verschwunden. Von der Blase über seiner Braue war nicht mehr zu sehen. Das verstaubte Grau seiner Haare war jetzt wieder von jugendlichem Schwarz. Die Augen wirkten unter den jetzt wieder hellen Lidern normal, so als befände er sich in tiefem Schlummer. Seine Lippen waren leicht geöffnet, und er wirkte wohlig entspannt.
    Beda schlief. Sein Atem wurde sichtbar an den sich rhythmisch krümmenden Barthaaren. Offenkundig war er tief entspannt. Dankwart meinte sogar, ein leichtes Lächeln in seinen Zügen zu erkennen.
    In Dankwarts Freude und seine Erleichterung mischte sich das Triumphgefühl des Siegers. Eine duftende, rote Rose hatte den Anfang gemacht, genau wie er es sich erhofft hatte! Sie hatte die Tore der Seele wieder zu den Empfindungen geöffnet. Und die Befreiung der Kenotaphe mochte den Rest besorgt haben!
    Unter Bedas Kopfkissen lugte etwas Eckiges hervor. Es stellte sich als kleines, rot eingebundenes Buch heraus, das bereits reichlich zerlesen aussah. Dankwart zog es sachte heraus, schlug es neugierig auf und blätterte darin. Er stellte fest, dass Beda die rote Rose, die inzwischen verblüht war, zwischen die Buchdeckel gepresst hatte und als Lesezeichen benutzte. Just auf dieser Seite blieb sein Blick an einer Stelle haften:

Will schob selbst mit bebenden Fingern die Schamlippen auseinander und stieß dann seinen Spieß mit solcher Gewalt hinein, dass er schon nach drei Stößen völlig verschwunden war. Unsere Wut wuchs immer mehr, ich schlug meine Beine um seine Hüften, presste ihn wild in meine Arme, griff nach seinen Hoden, die ich zart gegeneinander rieb, um seine Wonne zu erhöhen, – bis endlich der Höhepunkt eintrat und wir zuckend und keuchend, atemlos den Strom der Wollust genossen ...

    Dankwart bekam kugelrunde Augen und pfiff durch die Zähne. Beim hastigen Zurück- und Weiterblättern stellte er fest, dass das Buch fast ausschließlich solche Schweinereien aufwies. Er verbrachte fast zehn Minuten damit, den Inhalt genauer zu inspizieren.
    Staunend und etwas brüskiert betrachtete er seinen friedlich schlummernden Freund. Der Wechsel vom Tode zum Leben schien wahrhaftig gelungen.
    Er sah auf den Buchdeckel:
    „Fanny Hill“, von John Cleland.
    Nie gehört.
    Er bemühte sich noch um ein paar entrüstete Gefühle ob der verfallenen Moral seines Freundes, und legte das Buch nicht ohne ein gewisses Bedauern unter Bedas Kopfkissen zurück.
    Er schüttelte den Kopf. Was es nicht alles gab!
    Wo hatte Beda dies her? Aus der Bibliothek?
    War er gereist?
    Wie kam er dazu, sich ausgerechnet solche Lektüre zu organisieren?
    Er erinnerte sich daran, wie wenig er selbst über sein Vorleben gewusst hatte, aber ein verborgenes Wissen im tiefen Inneren seiner Seele ihn doch immer wieder geführt hatte. Er war bereits jetzt neugierig, was Beda ihm würde erzählen können – sofern er selbst inzwischen über sich erfahren hatte.
    Nun, da er seinen Plan so trefflich gelungen sah, meldete sich bereits die nächste Unruhe.
    Harlan. Harald .

    Das Schloss wirkte zunächst wie verlassen. Dankwart ging zunächst neugierig geradeaus, und betrat das jetzt lichtdurchflutete Zentrum mit dem großen Kuppelsaal. Das Kenotaph erstrahlte wie aus einer anderen Welt, majestätisch und doch freundlich. Dankwart sah, dass sich ein einzelner Mensch gerade durch die Tür ins Innere begab.
    Als er selbst den Innenraum betrat, schwieg er zunächst andächtig. Durch das Oberlicht fiel ein heller, seidiger Lichtstrahl nach innen und traf direkt auf das zentrale Wasserbecken, dessen feine Wellen im verklärenden Licht funkelten. In den zahllosen Nischen erkannte Dankwart einige Menschen, die dort in tiefer

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