Die schlafenden Hüter - Das Marsprojekt ; 5
es nun leicht bergauf – die Art von Steigung, die man kaum sah und die einen auf Dauer trotzdem schlauchte.
Ab und zu meldete sich Pigrato. Die Funkverbindung sei ausgezeichnet, erklärte er jedes Mal. Dagegen hätten sie Probleme, die Siedlung zu erreichen; über die Satelliten ginge es erst gegen Mitternacht wieder, das sei ja klar gewesen, aber über die Raumschiffe wäre ein Kontakt möglich gewesen, jedoch nicht zustande gekommen; die MAHATMA GANDHI habe den Funkbereich wunderbar durchquert, aber auf das Kontaktsignal nicht reagiert.
»So, so«, erwiderte Mrs Faggan nur. Unverkennbar, dass sie das im Augenblick nicht im Mindesten interessierte.
Mitternacht? , überlegte Ariana. Wovon war da die Rede? Ihr war, als müsse Mitternacht längst vorbei sein – andererseits auch wieder nicht … Irgendwie hatte sie ihr Zeitgefühl völlig verloren.
Immer weiter und weiter ging es. Ab und zu machte der Gang einen sanften Schlenker nach rechts, dann wieder nach links, ohne dass man einen Grund dafür erkennen konnte. Irgendwann hörte er auf anzusteigen.
Und dann standen sie auf einmal vor einer weiteren Wand aus blauem Glas.
»Mister Pigrato?«, fragte Mrs Faggan mit deutlicher Beunruhigung in der Stimme. Sie richtete ihre Helmkamera aus. »Sehen Sie das?«
Ariana verstand ihre Beunruhigung. Die Wand hatte ein Loch! Und was für ein seltsames. Bisher waren alle Dinge aus dem blauen Glas, dem Universalbaumaterial der Aliens, die sie bisher zu Gesicht bekommen hatten, von makelloser Gestalt gewesen – perfekte Zylinder im Fall der blauen Türme, absolut ebene, undurchdringliche Flächen im Fall der Barrieren. Die leicht ovale, etwa mannshohe Öffnung in dieser Glaswand dagegen wies unregelmäßige, wulstige Ränder auf und wirkte wie etwas Fehlerhaftes, wie etwas, das es nicht geben durfte.
»Wir sehen es«, ließ sich Pigrato vernehmen. Man hörte ihn atmen. »Unsere Barriere hier ist leider nach wie vor undurchdringlich. Keine weiteren Artefakte. Sonst könnten wir zu Ihnen stoßen.«
Mrs Faggan trat an die Öffnung heran, spähte in den Gang dahinter. Ariana folgte ihr. Auf der anderen Seite schimmerten Boden und Wände bläulich, waren mit einer dünnen Schicht des blauen Glases überzogen.
»Das scheint jetzt die Station der Aliens zu sein«, sagte Mrs Faggan. »Dort, wo Carl gewesen ist.«
Und die Roboter mit den Tentakeln, die versucht haben, ihn zu fangen , schoss es Ariana durch den Kopf.
Etwas am Boden fiel ihr auf. Sie bückte sich. »Schauen Sie mal!«
Da war ein Pfeil. Auf den ersten Blick sah er aus wie etwas hastig Hingemaltes, auf den zweiten, genaueren Blick erkannte man, dass es Verfärbungen innerhalb des glasartigen Materials waren, die ihn bildeten.
»Jemand weist uns den Weg«, flüsterte Carl und Elinns Mutter mit brüchiger Stimme. Sie räusperte sich und setzte laut hinzu, sodass auch Pigrato es hörte: »Wir gehen weiter.«
»Passen Sie auf sich auf«, erwiderte Pigrato. Er klang hilflos.
Das Eigentümliche war, dass sie diese Öffnung überhaupt nicht benötigten. Es wäre reichlich schwierig gewesen, sich mit den enormen Rucksäcken hindurchzuzwängen. Aber sie besaßen ja ihre Artefakte, dank derer sie die gläserne Wand durchschreiten konnten, als sei sie nur eine Illusion.
Die Rucksäcke? Sie schienen auf einmal nichts mehr zu wiegen, als sie weitergingen. Und sie marschierten nicht mehr, sie schlichen fast, alle Sinne angespannt. Dies war nicht mehr einfach ein Spalt in felsigem Gestein, dies war ein Ort, der jemand anderem gehörte und den sie widerrechtlich betraten. Irgendwie spürte man das.
Bald kamen die ersten Quergänge. Das Labyrinth begann, von dem Carl erzählt hatte. Doch an jeder Kreuzung war ein Pfeil am Boden zu sehen, ganz schwach manchmal, aber doch unverkennbar. Manchmal zeigte er nach links, manchmal nach rechts, meistens geradeaus. Und diesen Pfeilen folgten sie.
Manchmal glaubte Ariana, in einem Quergang Bewegungen im Dunkel zu sehen. Jedes Mal stockte ihr der Atem, doch was immer es war, es war weg, wenn sie genauer hinsah. Der Strahl ihrer Helmlampe ging ins Leere.
»Sehen Sie das auch?«, fragte sie leise.
Mrs Faggan zögerte. »Lass uns einfach weitergehen«, meinte sie schließlich.
Kurz darauf sahen sie, was es war: Roboter. Eine der Maschinen, die Carl beschrieben hatte, stand in einem der Quergänge: ein massiger Kegelstumpf aus dunklem, fast schwarzem Metall, mit einem Kranz von Tentakeln an der Oberseite, die in bedächtiger Bewegung
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