Die schlafenden Hüter - Das Marsprojekt ; 5
instabil und konnte zu schweren Beschädigungen führen. Wenn der zweite Greifer daneben fasste, mussten sie wieder loslassen.
Atemlos verfolgten sie die Bewegungen des anderen Raumschiffs auf dem Schirm. Noch folgte alles den Vorausberechnungen. Dunkel schimmerndes Metall zog vorbei, geriffelte Leitungen, Haltestege aus gelochtem Raumschiffstahl …
»Zweiter Greifer«, kam die Meldung des Bordingenieurs. Dann, nach Sekunden des Luftanhaltens: »Er hält. Wir haben das Ding.«
Mahmoud Al Salahi atmete auf. In rascher Folge schlossen nun die Greifer drei und vier und damit waren die beiden Schiffe stabil miteinander verbunden. Das Triebwerk fauchte auf, um das Gespann auf Kurs zurück in die Marsumlaufbahn zu bringen.
»Na also«, sagte er und stand auf. »Dann schauen wir uns unseren Fang doch mal an.«
Die Andockmanschette war schon angebracht, als Al Salahi und die anderen in der Schleuse eintrafen. Durch ein Sichtluk war die Beschriftung des geborgenen Raumschiffs zu erkennen; es handelte sich um die SIEGMUND JÄHN.
»Lässt sich die Schleuse öffnen?«, fragte Al Salahi den Techniker.
Der nickte. »Sollte kein Problem sein. Ein unbemanntes Schiff wird kaum von innen verriegelt sein.«
»Dann bitte ich darum.« Der Kommandant machte eine einladende Handbewegung. »Je schneller wir die Daten geborgen haben, desto besser.«
Sie öffneten die Außentür ihrer eigenen Schleuse. Die Außentür der JÄHN war keinen halben Meter entfernt, eingerahmt von den dicken braunen Wülsten der aufblasbaren Manschette. Der Techniker führte den Universalschlüssel in die dafür vorgesehene Öffnung ein.
»Na?«, murmelte er. »Das sollte eigentlich … Ah, jetzt.« Mit einem keuchenden Laut glitt die Metallplatte nach innen und zur Seite. Dahinter war es stockdunkel.
Später erinnerte sich Kapitän Al Salahi vor allem an den unaussprechlichen Gestank, der ihnen als Erstes entgegenschlug. Es stank nach Schweiß, Urin, Fäkalien, verdorbenem Essen, Krankheit und nach tausend anderen Dingen. Irgendjemand gab ein würgendes Geräusch von sich.
Dann flammte das Licht in dem anderen Schleusenraum auf und sie sahen in schmutzige, grimmige Gesichter – und in die Läufe schussbereiter Waffen. Ein Mann mit dunkelblonden Haaren erklärte: »So. Ab jetzt tun Sie alle, was ich Ihnen sage, dann wird niemand sterben.«
17
Der Mars schweigt
Ariana spürte ihr Herz schlagen, heftig und aufgeregt. Ausatmen! Konzentration! Sie konnte beinahe die Stimme von Kim Seyong hören.
Nun, das war es doch, was sie gewollt hatte, nicht wahr? Ein Abenteuer zu erleben. Dies war zweifellos eines und es war interessant zu erfahren, wie es sich anfühlte. Was aufregend war, war zugleich auch furchteinflößend; das eine war ohne das andere nicht zu haben.
Sie betrachtete ihr Artefakt. Es glitzerte verlockend im Schein ihrer Helmlampe, ein goldener Schimmer, der hier und da über das Rot huschte. Eine Einladungskarte hatte Pigrato es genannt. Sie fragte sich, von wem sie stammen mochte.
Mrs Faggan packte immer noch gemeinsam mit Pigrato und Erkmen an den beiden Rucksäcken mit der Ausrüstung herum, die sie mitnehmen sollten. Zeug raus, Zeug rein, anders verpacken, anders verteilen … Ariana war froh, sich darum nicht kümmern zu müssen. Sie hätte nicht um alles in der Welt gewusst, was sie auf die andere Seite der Barriere mitnehmen sollte und was nicht.
Ronny stand nur da und schaute dem Treiben zu. Er hatte seltsamerweise nichts dazu gesagt, dass sein Artefakt zu Staub zerbröselt war. Dabei ärgerte er sich bestimmt.
Obwohl – vielleicht war er auch ganz froh darum?
»Also, gehen wir!«, hörte sie schließlich Mrs Faggan sagen. Sie klang ungeduldig und wirkte auch so, wie sie angestapft kam mit ihrem Rucksack über der ohnehin schon voluminösen Recyclereinheit. Ein seltsamer Anblick.
Pigrato brachte den Rucksack, den Ariana tragen sollte, half ihr beim Anlegen. »Versuchen Sie, die Funkverbindung zu halten«, meinte er, an Mrs Faggan gewandt.
»Jaja«, erwiderte die. »Natürlich.«
Und dann ging es los. Einfach so, mit einem Schritt und dann noch einem und noch einem. In ein Abenteuer brach man nicht anders auf als zu einem Spaziergang: mit dem ersten Schritt.
Einen Moment lang fragte sich Ariana, ob sie mit ihren dicken Buckeln aus grauem Stoff, gefüllt mit irgendwelchen Dingen, die Barriere überhaupt passieren konnten, aber da war Mrs Faggan schon auf der anderen Seite. Offenbar war es kein Problem. Ausatmen!, sagte sich
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