Die schlafenden Hüter - Das Marsprojekt ; 5
einer Forschungsreise zu verschwinden, bei den Falanern als ehrenvolles Ende betrachtet wird. Es könnte auch sein, dass man die Zerstörung des großen Sternentors registriert und nach ihnen gesucht, die Suche aber aufgegeben hat, weil man sie für tot hielt.« James Faggan zögerte, dann fügte er hinzu: »Tatsächlich hatte ich den Eindruck, dass – obwohl die Falaner wirklich schlafen – etwas von ihnen wach geblieben ist. Eine Art gemeinsames Bewusstsein. Und dieser gemeinsame Geist macht sich seit geraumer Zeit Sorgen, dass man sie vielleicht niemals finden wird. Ihr Schlaf dauert schon zu lange. Viel zu lange.«
Ariana zuckte zusammen, als Pigrato sich räusperte. »Vielleicht ist zu Hause etwas passiert, von dem sie nichts wissen.«
Der bärtige Mann auf der Liege nickte kaum merklich. »Auch diese Möglichkeit ziehen sie in Betracht.«
»Leider«, fuhr Pigrato finsteren Blicks fort, »müssen auch wir diese Möglichkeit in Betracht ziehen: dass zu Hause etwas passiert sein könnte, von dem wir nichts wissen.«
Ronny hörte atemlos zu, wie Pigrato berichtete, was Zhao Bai entdeckt hatte: dass Yin Chi ihnen eine Warnung hatte zukommen lassen. Dass ihn offenbar jemand dazu gezwungen hatte, sie anzurufen und zur Rückkehr aufzufordern.
Das war nicht gut. Das zu hören, verursachte ihm ein ausgesprochen mulmiges Gefühl.
»Die Frage ist, was wir überhaupt tun können«, schloss Pigrato. »Wie sollen wir herausfinden, was in der Siedlung los ist? Wir sind hier völlig abgeschnitten von allem.«
»Mal andersherum gefragt«, meinte Kemal Erkmen, der, ebenfalls im Raumanzug, wieder heraufgekommen war, »was kann denn los sein?«
Pigrato hatte seinen finstersten Blick drauf, wie in alten Zeiten, als er noch der Statthalter gewesen war und gedacht hatte, alles müsse nach seiner Pfeife tanzen. »Yin Chi hat vor einiger Zeit einen Hinweis bekommen, dass die Heimwärtsbewegung irgendetwas auf dem Mars plant. Vielleicht gab es doch noch einen Agenten in der Siedlung, der nun aktiv geworden ist.«
»War das der Grund für die Geheimhaltung rund um die Expedition?«, hakte Erkmen nach.
»Es war ein ernst zu nehmender Hinweis«, erwiderte Pigrato.
Ein Agent. Ronnys Hand schloss sich unwillkürlich um die winzige Kamera, die in der Brusttasche seines Overalls steckte. Er hatte gedacht, es sei eine gute Idee, alles aufzunehmen, was Mr Faggan erzählte – aber nun war er sich da nicht mehr so sicher …
»Wie hört sich denn der sonstige Funkverkehr an?«, fragte Mr Faggan, der immer noch auf der Liege lag, den Kopf im Schoß seiner Frau. Er war ziemlich blass im Gesicht, aber das war er schon die ganze Zeit gewesen.
»Wir befinden uns hinter dem Funkhorizont«, sagte Roger Knight, der gerade aus der Pilotenkanzel kam. »Das heißt, wir hören gar nichts. Aber sowohl die GANDHI als auch die KING schweigen, wenn ich versuche, ins Kommunikationsnetz zu gehen. Und die Satelliten reagieren auch nicht richtig.«
»Und wenn wir einfach mal über die Siedlung hinwegfliegen und schauen, ob wir etwas Auffälliges bemerken?«, schlug Mrs Faggan vor.
Die Mutter von Carl und Elinn mochte auf ihrem Gebiet eine Spezialistin sein, aber von Fluggeräten verstand sie offenbar nichts. Bloß war Ronny jetzt nicht danach, die Augen zu verdrehen oder einen blöden Spruch zu bringen, weil er die ganze Zeit an Wim Van Leer und das Gespräch mit ihm denken musste.
Van Leer. Carl hatte damals herausgefunden, dass der Journalist von der Erde eine Zeit lang für die Heimwärtsbewegung gearbeitet hatte. Carl war sich daraufhin sicher gewesen, dass Van Leer hinter den Anschlägen auf dem Mars steckte – aber dann war alles doch ganz anders gekommen …
Aber womöglich war das die raffinierteste Tarnung überhaupt? Wenn einer erst für einen Agenten gehalten wurde und es dann so aussah, als habe man ihn zu Unrecht verdächtigt? Wenn so einer dann doch ein Agent war, darauf käme doch im Leben niemand!
Ronny äugte unauffällig auf das winzige Rundumobjektiv in seiner Brusttasche hinab. Ihm wurde immer mulmiger. Was sollte er denn jetzt tun?
»Ein Rundflug?«, grinste Roger Knight. »Wäre schön. Aber wie das nun mal so ist bei Shuttles: Der Treibstoffverbrauch ist jenseits von Gut und Böse. Wir haben immer nur genug Treibstoff für Hin- und Rückflug. Nach jeder zweiten Landung muss aufgetankt werden.«
»Aber könnten wir nicht probieren, ob wir über die Satelliten etwas sehen?«, schlug Ariana vor. Sie sah Pigrato an, wirkte
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