Die schlafenden Hüter - Das Marsprojekt ; 5
Ronny.
»Ihr müsst dazu wissen, dass die Raumschiffe der Falaner nur dazu gebaut sind, innerhalb eines Sonnensystems zu fliegen. Sie können damit keine anderen Sterne erreichen. Um zu anderen Sternen zu gelangen, benutzen sie sogenannte Sternentore. Nur mit deren Hilfe kann man die ungeheuren Entfernungen im Weltraum zurücklegen, mehr oder weniger mit einem Schritt. Man fliegt in ein Sternentor hinein und kommt im nächsten Moment durch ein anderes wieder heraus. Wobei es auch besondere Sternentore gibt, die ein Raumschiff an einen weit entfernten Ort versetzen können, ohne dass dort ein anderes Sternentor existieren muss. Aber dieses Raumschiff muss alles mitnehmen, was nötig ist, um ein Sternentor zu bauen, sonst kann es niemals zurückkehren.« James Faggan hob die Augenbrauen. »Nun, und das Sternentor der Falaner befand sich in ihrer Stadt auf dem Mars: jene sechs blauen Türme, die du auch gesehen hast, Ronny. In der Stadt, und damit in der Gewalt der Angreifer.«
Niemand sagte ein Wort. Der bärtige Mann, in dem Ariana nur mit Mühe den Vater von Carl und Elinn erkannte, an den sie sich undeutlich erinnerte, holte mühsam Luft. »Die Besatzer machten den Falanern ein Angebot: Sie würden sie mit ihrem Raumschiff nach Hause zurückkehren lassen, wenn sie ihnen den Mars und vor allem die Erde überließen – das hieß, die Menschen, auf die sie es ja abgesehen hatten.« Noch ein Atemzug. »Und die Falaner nahmen das Angebot an.«
»Oh«, rief jemand erschrocken. Im nächsten Augenblick merkte Ariana, dass sie es selbst gewesen war.
»Aber sie taten es nur zum Schein. Es war die einzige Möglichkeit, dicht genug an die Stadt heranzukommen, um mit ihren Strahlwaffen bestimmte Maschinen zu treffen, die sich tief unter der Marsoberfläche befanden. Eine ungeheure Explosion war die Folge, denn diese Maschinen explodierten in einer Kettenreaktion, die die gesamte Stadt innerhalb weniger Augenblicke zerstörte und die Anderen in den Untergang riss. Es war eine Explosion, die leicht auch den ganzen Planeten hätte zerstören können. So entstanden die Valles Marineris – um uns Menschen, die wir damals völlig wehrlos waren, davor zu bewahren, ausgerottet zu werden.«
Mr Faggans Stimme war immer leiser geworden. Es strengte ihn an, das alles zu erzählen, aber es drängte ihn auch dazu, das merkte man. Sein Blick war in unbestimmte Weiten gerichtet, so, als durchlebe er noch einmal die Bilder, die er in der Zeit seiner Gefangenschaft gesehen hatte.
»Die Falaner hatten die Anderen besiegt, aber um den Preis, dass sie zusammen mit ihrer Stadt auch das große Sternentor verloren. Sie besaßen nur noch ein kleines Sternentor, das sie benutzt hatten, um auf die Erde zu gelangen – das aber war zu schwach, um das Netz zu erreichen, das die Sonnensysteme ihres Reiches miteinander verbindet. Sie waren also von ihrer Heimat abgeschnitten, ohne Chance auf Rückkehr.« Er hob den Kopf, sah Ronny und Ariana an. »Was sollten sie tun? Was hättet ihr getan?«
»Keine Ahnung«, sagte Ronny.
»Sie fassten einen ganz und gar ungeheuerlichen Plan: Sie beschlossen, sich in Tiefschlaf zu versetzen und zu warten, bis ihre Artgenossen das Netz der Sternentore in diesem Teil der Galaxis weit genug ausgebaut hätten, dass sie auch über das kleine Tor, das sie noch besaßen, Anschluss daran finden würden. Es war ihnen von vornherein klar, dass das sehr lange dauern würde, denn man kann ein Sternentor nicht zerstören, ohne dass dies schwerwiegende Folgen für die anderen Sternentore hat, mit denen es verbunden war. Sie wussten, dass sie Jahrhunderte, vielleicht Jahrtausende würden warten müssen. Deshalb errichteten sie die verborgene Station in der Cydonia-Region, bauten die Maschinen, die sie im Tiefschlaf am Leben erhalten würden, und die Roboter, die über sie wachen würden in all der Zeit.«
Die Luke zur Pilotenkanzel ging wieder auf. Pigrato kehrte zurück, gesellte sich leisen Schrittes zu ihnen, bemüht, die Erzählung nicht zu unterbrechen.
»Das ist es also, was die Falaner in dieser Höhle tun«, schloss James Faggan mit ersterbender Stimme. »Sie schlafen und warten, dass ihre Leuten kommen, um sie zu holen.«
»Und woher wissen sie, dass jemand kommen wird?«, fragte Ariana.
»Das wissen sie nicht. Das ist das Risiko. Vielleicht kommt niemals jemand.«
»Aber man muss sie doch vermisst haben?«
»Vielleicht. Ich weiß es nicht. Manche der Bilder, die ich gesehen habe, gaben mir das Gefühl, dass auf
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