Die schlafenden Hüter - Das Marsprojekt ; 5
sind, in den sich absetzenden Teeblättern nach Zeichen zu suchen?«
Pigrato entfuhr ein abgrundtiefer Seufzer, ehe er es verhindern konnte. »Nur zu gut.«
Zhao hielt die Aufzeichnung an. Yin Chi hatte gerade beteuert, es sei alles in bester Ordnung. »Sehen Sie, wie seltsam er das Teeglas hält?«
»So hält er es immer. Als müsse er seine Finger daran wärmen.«
»Aber sein Zeigefinger deutet auf ein Muster in den Teeblättern, die sich am Glas abgesetzt haben.« Er vergrößerte das Bild entsprechend. »Mit etwas Fantasie kann man in diesem Muster eine Folge chinesischer Schriftzeichen erkennen.«
»Wirklich?« Pigrato studierte den Bildausschnitt und kam zu dem Schluss, dass zumindest seine Fantasie hier überfordert war. »Und besagen diese Zeichen etwas?«
Das Thema war Zhao Bai sichtlich unbehaglich. »Ich muss gestehen, dass ich in chinesischer Schrift nicht sehr bewandert bin; ich bin in Europa aufgewachsen. Aber soweit ich das lesen kann, steht hier: Gefahr. Überfall. Zwang wird ausgeübt.«
»Eine Warnung also?«
»Ja. Dass man ihn zu diesem Gespräch gezwungen hat.«
Roger Knight brummte unwillig. »Mir kommt das reichlich weit hergeholt vor. Entschuldigen Sie, Bai. Aber wie sollte er solche Schriftzeichen aus Teeblättern in sein Glas zaubern? Mit einer Pinzette? Während irgendwelche bösen Buben ihm die Knarre vor die Nase halten?«
Pigrato rieb sich das Kinn. »Hmm. Tatsache ist, dass Yin Chi sich darauf versteht, unauffällig mit dem Finger nachzuhelfen, wenn die Teeblätter in seinem Glas nicht das Bild ergeben, das er sich wünscht. Darin ist er ziemlich geschickt.«
Zhao Bai atmete auf. »Sie denken also auch, dass etwas daran sein könnte?«
»Spielen Sie die ganze Aufnahme noch einmal ab.«
Im Grunde, sagte sich Pigrato, während er den hageren Chinesen auf dem Schirm beobachtete, war dieser Anruf auch ohne geheime Zeichen eine überaus seltsame Angelegenheit. Keine Frage zum Beispiel, ob sie schon etwas erreicht hatten. Nichts von dem, was Yin Chi sagte, stand in irgendeinem Zusammenhang mit den Gesprächen vor ihrem Aufbruch.
Hier stimmte tatsächlich etwas nicht.
Andererseits brauchte James Faggan ärztliche Hilfe.
Entscheidungen. Er entkam ihnen einfach nicht.
»Lassen Sie uns eine Denkpause einlegen«, sagte er schließlich. »Roger, meinen Sie, Sie können die Marssiedlung anrufen und glaubhaft machen, dass wir wegen technischer Probleme erst mal nicht starten können?«
Roger Knight holte tief Luft. »Ob ich so richtig gut lügen kann, meinen Sie?«
»Gewissermaßen.«
»Haben Sie mir damals geglaubt, dass der Rover einen Motorenschaden hat? Der, mit dem die Kinder losgefahren sind, um am Ende die blauen Türme zu entdecken?«
Pigrato sah ihn verdutzt an. »Sie haben davon gewusst?«
Der Pilot grinste. »Womit Ihre vorherige Frage beantwortet wäre, nehme ich an.«
Kaum waren Pigrato und Zhao Bai in der Pilotenkanzel verschwunden, wachte Mr Faggan wieder auf – wie es schien von dem leisen Klicken, mit dem die Luke geschlossen wurde. Mit großen Augen sah er sich um und staunte: »Ihr seid ja immer noch da!« So, als habe er stundenlang geschlafen.
Ronny überfiel ihn mit seiner Geschichte, wie er das Marsflugzeug geflogen hatte und in wilde Bilder von einer großen Stadt am Äquator geraten war, die von einem riesigen Raumschiff zerstört worden war. Er erzählte es reichlich chaotisch, fand Ariana, aber Mr Faggan schien zu verstehen, wovon die Rede war.
»Diese Stadt«, meinte er, als Ronny fertig war, »war der Ort, an dem die Falaner lebten. Ich habe sie auch gesehen, und länger und ausgiebiger als du, Ronny. Es war eine großartige Stadt, reich, weitläufig, wahnsinnig elegant. Die Falaner besaßen unglaubliche technische Möglichkeiten – eine so ungeheuer große Stadt zu erbauen, für gerade mal dreihundert Forscher!«
»Und wer hat sie zerstört?«
»Die Falaner selbst.«
»Was?«, fuhr Ronny hoch. »Aber –«
James Faggan hob eine Hand, obwohl es ihm sichtlich schwerfiel. »Was passiert ist, war Folgendes: Als diese Anderen kamen, haben die Falaner die Menschen verteidigt. Es gab Kämpfe im Raum um die Erde und auf der Erde selbst; gewaltige Schlachten, denn auch die Anderen besaßen schwere Waffen. Technisch waren sie den Falanern zwar unterlegen, aber sie waren die besseren Krieger und vor allem die besseren Strategen – während die Falaner die Erde verteidigten, eroberten sie nämlich deren Stadt auf dem Mars.«
»Mist«, rief
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