Die schlafenden Hüter - Das Marsprojekt ; 5
einmal doch gehen? Das war doch von Anfang an faul. Ich hätte mich weigern sollen, verdammt noch mal!«
»Fraglich, ob sich der Überfall dadurch hätte verhindern lassen«, sagte Zhao. »Ich meine, wenn die Waffen haben …«
»Wir hätten sie kommen sehen«, widersprach Roger Knight. »Wir hätten die Schleusen blockiert und sie draußen verhungern lassen.«
»Sie hätten die Rover zerstören können, die Treibhäuser …«
»Auf jeden Fall hätten sie nicht einfach mitten in ein Sonntagsfest platzen können. Wir hätten eine Chance gehabt.«
»Hätten«, warf Erkmen ein. »Das ist doch sinnlos, jetzt zu diskutieren, was anders hätte laufen können. Wir sollten uns lieber überlegen, was wir jetzt tun.«
Allgemeines Kopfnicken. Aber dann verbreitete sich ratlose Stille in der Runde.
Ariana räusperte sich. »Dieses Back-up von AI-20«, fragte sie, »wenn man das wieder einspielen würde, wäre die KI doch wieder auf unserer Seite, oder?«
Pigrato sah sie mit unwilligem Nicken an. »Natürlich. Bloß käme es ein bisschen spät.«
Roger Knight wiegte den Kopf hin und her. »Das würde ich nicht sagen. Sie haben es ja selbst gesagt, die KI kontrolliert alle Systeme. Die könnte diesen Halunken auch jetzt noch ganz schön einheizen.«
»Denke ich auch«, stimmte ihm Zhao Bai zu. »Sie könnte –«
»Das brauchen wir nicht zu diskutieren«, brauste Pigrato auf. »Ja, wahrscheinlich wäre es hilfreich, das Back-up zurückzuspielen. Und? Der Datensafe ist auf meinen Fingerabdruck eingestellt. Also müsste ich in die Station gelangen und in den hintersten Lagerraum und an den Datensafe – wie soll ich das machen?«
»Hmm«, machte Kemal Erkmen.
»Schwierig«, sagte Roger Knight.
»Eigentlich unmöglich«, erklärte Zhao Bai.
Draußen kam ein Wind auf, der das Innere des Shuttles mit einem feinen, kaum hörbaren Fauchen erfüllte.
Ariana räusperte sich ein zweites Mal. »Nicht, dass ich aufdringlich sein möchte – aber ich hätte da vielleicht noch eine Idee …«
23
Eindringlinge
Ansgar Eikanger konnte nicht schlafen. Er hatte sich eine der Unterkünfte herrichten lassen und er hätte Schlaf gebraucht, aber er wälzte sich nur im Bett herum. In ihm kochte es, brodelte die Energie, die von dem Bewusstsein herrührte, auf einer Mission von unabsehbarer Bedeutung zu sein, einer Mission, von der das Überleben der Menschheit abhing, nicht mehr und nicht weniger, einer Mission, die jetzt in die entscheidende Phase getreten war. Alles hing an ihm, buchstäblich alles. Die anderen hörten auf sein Kommando, aber keiner von ihnen wäre imstande gewesen, den Plan durchzuziehen. Zu tun, was getan werden musste. Die Entscheidungen zu treffen, die zu treffen waren.
Hart zu sein, wenn es darauf ankam.
Kein Schlaf. Nicht daran zu denken. Es war, als habe er Fieber, doch er wusste, dass er keines hatte. Es war pure Entschlossenheit, die ihn befeuerte. Adrenalin, das in seinen Adern pulsierte.
Und natürlich der Ärger über das, was ihm mit dem Shuttle passiert war.
Es war zu allem Überfluss sein eigener Fehler gewesen. Das ärgerte ihn am meisten. Es gab niemanden, den er dafür hätte bestrafen können. Keinen Saboteur, den er hätte hinrichten lassen können. Der Pilot hatte ihn gewarnt, ungeschickt zwar, aber klar und deutlich, wie er im Nachhinein zugeben musste: So dicht bei der Station zu landen, sei nicht erlaubt. Nicht erlaubt! »Hör zu, mein Freund«, hatte er dem Mann gesagt, »was erlaubt ist und was nicht, bestimme ab jetzt ich.« Er hatte den Finger auf die Karte gesetzt, die der Pilot vor sich auf dem Schirm hatte. »Und ich bestimme, dass wir genau da landen.«
Damit hatte er den Mann eingeschüchtert und er hatte gehorcht. Normalerweise schätzte Ansgar Eikanger es, wenn Leute eingeschüchtert waren und gehorchten. Und dann das!
Woher zum Teufel hätte er wissen sollen, dass die Tanks eines Shuttles nach der Landung leer sein würden? Er war schließlich kein Raumfahrer. Natürlich war er mit den Missionsdaten vertraut gewesen, hatte gewusst, dass die Reservoirs mit dem flüssigen Wasserstoff und die Anlagen, die ihn aus dem Marsboden extrahierten, fünf Kilometer von der Siedlung entfernt lagen. Aber er hatte nicht die richtigen Schlussfolgerungen daraus gezogen. Ein Fehler. Ein verdammter Fehler. Und Fehler waren genau das, was er sich nicht leisten durfte. Er hatte zweihundertachtzig Marssiedler und einen ganzen Planeten gegen sich; da konnte jeder Fehler sein letzter
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