Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome
gefunden.«
»Du hast ohne meine Erlaubnis das Gemach meiner Frau durchsuchen lassen?«, donnerte Antipas. Doch unter den blitzenden Augen und der scharfen Antwort des Rabbiners wich er zurück.
»Du hast mich beauftragt, das Böse an diesem Hof zu finden. Nun, ich habe es gefunden. Es war dir näher als das Gute, Antipas, es tanzte vor dir.«
Er setzte sachlich seinen Bericht fort.
»Nachdem sie die Tat begangen hatte, ging sie in das Gemach von Zacharias und erzählte ihm davon. Nun, der alte Mann hatte sicherlich viele Schwächen, nicht zuletzt seinen sadduzäischen Glaubensdünkel, wissender und erhabener als ich und meine Pharisäer zu sein. Aber ein Mörder war er nicht. Er war entsetzt über Harithas Tat und drohte nun seinerseits, alles zu enthüllen. Da erstach sie ihn hinterrücks. Zacharias konnte sich gerade noch in das Gemach seines Sohnes schleppen, das neben seinem eigenen lag. Dort brach er zusammen. Ein Tumult brach aus, der es Haritha ermöglichte, unerkannt in ihre Räume zu fliehen. So verhielt es sich.«
Der Rabban sah Antipas mit großen Augen an. »Ich lege dir das Böse zu Füßen. Nun musst du es zertreten. Fälle das Urteil, Fürst, und bedenke, dass die Augen des Herrn auf dir ruhen. Wie entscheidest du?«
Antipas blickte Herodias tief in die Augen, als er verkündete: »Ich möchte eine Stunde allein sein.«
Der abgelegene Raum, in dem Herodias sich mit Antipas zu gemeinsamen Nächten traf, hatte sich unter ihrer Ägide im Laufe der Zeit zu einem Schmuckstück verwandelt. Antipas hätte ein breites Bett genügt, und am Anfang gab es auch nichts anderes, doch Herodias hasste dieses Provisorium. Sie kam sich wie eine Dienstmagd vor, die von ihrem Herrn im Schafstall verführt wurde. Daher stattete sie das Liebesnest nach und nach mit Möbeln und Stoffen aus. Die Ölholztruhen waren angefüllt mit aufreizenden Gewändern, die sie nur in diesen vier Wänden trug, die bronzenen Kandelaber leuchteten dunkel im Licht der Fackeln, die Damastkissen waren kostbar bestickt und die Kacheln mit lüsternen Motiven bemalt. Gegen Letzteres hatte Antipas sich anfangs gewehrt, weil er fürchtete, Gott zu beleidigen. Sie hatte jedoch leichtes Spiel mit ihm, denn im Grunde erregten ihn die Darstellungen nackter Frauenleiber, und er wünschte sich nichts sehnlicher, als alles das auszuprobieren, was die Frauen auf den Kacheln ihm vormachten. Herodias sorgte dafür, dass es genau so kam. Seither war sie sich sicher, dass Antipas nicht mehr von ihr loskam. Er war ihren nächtlichen Spielen nicht weniger verfallen als Harithas Tänzen.
»Du warst es«, warf er ihr vor, kaum dass er das Liebesnest betreten hatte. »Du wusstest, dass Haritha theriac nimmt, hast es dir von irgendeinem Giftmischer besorgt und Theudion ermordet. Dann hast du den Brief gefälscht, in dem Zacharias beschuldigt wird, und anschließend hast du den Alten erdolcht, damit er nicht seine Unschuld beteuern kann.«
»Fast richtig«, gestand sie gelassen. »Nur das mit Zacharias war ein Zufall. Zunächst hatte ich lediglich vor, mittels des theriacs den Verdacht auf Haritha zu lenken. Erst Zacharias’ Tod hat mich auf die Idee mit dem Brief gebracht.«
Ihre Ehrlichkeit verschlug ihm fast den Atem. »Warum?«, rief er.
»Nun sind wir beide frei«, sagte sie schulterzuckend. »Haritha wird wegen Ehebruchs und Mordes gesteinigt, und damit steht uns nichts mehr im Wege. Wir warten noch eine Weile, dann heiraten wir.«
Er schüttelte die geballte Faust. »Ich habe dir doch gesagt, dass in diesem Fall der Fluch des Himmels über mich kommt.«
»Nur, wenn du dich scheiden lässt, behaupten deine Astrologen. Nun lässt du dich ja nicht scheiden. Du wirst Witwer.«
Sein mächtiger Kopf schwoll an und wurde puterrot. »Wortklauberei«, schrie er. »Du glaubst doch nicht, dass der Himmel sich für dumm verkaufen lässt.«
Sie löste mit gezielten Bewegungen einige Spangen ihres Gewandes, so dass es an ihr herabfiel. Goldfarbene Sandalen waren ihre einzige Bekleidung. Langsam und ohne Antipas aus ihrem Blick zu entlassen, legte sie sich bäuchlings auf die Kissen auf dem Boden und wippte aufreizend mit den Beinen. Als sie bemerkte, dass sein Blick über ihren molligen Körper wanderte und an den Schenkeln haften blieb, huschte ein kaum sichtbares Grinsen über ihr Gesicht.
»Du hast gar keine Wahl«, sagte sie. »Was willst du tun? Mich beschuldigen? Das bringst du nicht fertig. Du brauchst mich, Antipas, denn ich bin stark. Gemeinsam
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