Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome
Aber wir haben ihn vor – vor einem Jahr vergeben.«
»Heißt das, verkauft?«
»Gegen eine geringfügige Gebühr, ganz legal«, betonte der Verwalter ein wenig aufgebracht. »An eine Gladiatorenschule in … Das weiß ich nun wirklich nicht mehr. Wir heben Dokumente nicht lange auf. Dein Grieche kämpft längst in den Arenen des Reiches, vielleicht in Spanien, vielleicht in Italien, vielleicht nur einige Meilen von hier. Womöglich ist er schon verrottet. Ich kann dir nicht helfen.«
Er wandte sich ab. »Du musst entschuldigen, ich habe viel zu tun.«
Enttäuscht lehnte Salome sich an Berenikes Schulter. Das Glück war so nah gewesen, wie ein frischer Windhauch nach langer Hitze hatte es sie gestreift und war wieder verschwunden.
»Ich werde ihn nie finden«, klagte sie. »Im ganzen Leben nicht.«
»Theriac« , posaunte Rabban Jehudah das Ergebnis seiner Untersuchungen wie einen Fanfarenstoß in den Thronsaal des Palastes von Tiberias.
Noch am Abend der Morde hatte Antipas ihn mit den Ermittlungen beauftragt. Zwar waren Verbrechen nicht sein Spezialgebiet, aber Antipas fürchtete Höllenmächte am Werk, und denen konnte am ehesten einer der vornehmsten Rabbiner des Landes auf die Spur kommen. Doch was Rabban Jehudah nun zu berichten hatte, klang eher nach einer sehr weltlichen Tat.
»Jemand hat Theudion theriac in die Speise gemischt. Wir haben zwar keine Spuren gefunden – was bei diesem geruchlosen Gift auch nicht verwundert -, aber anhand der Beschreibung von Theudions Todeskampf, den uns die edle Herodias lieferte, können wir Rückschlüsse ziehen.«
Rabban Jehudah sah einen nach dem anderen mit seinen beängstigend großen Augen an und brachte alle dazu, ihren Blick zu senken. Außer ihm war noch Antipas anwesend, der auf dem Thron kauerte, als falle der Himmel gleich herab, sowie Herodias und Kephallion, die nächsten Verwandten der beiden Opfer.
Der fensterlose Saal wurde von etlichen Fackeln auf mannshohen Kandelabern beleuchtet, deren Feuer sich im glatten Marmor der Wände spiegelte. Das Knistern und dunkle Rauschen der hundert Flammen betonte noch die gespenstische Leere des Raumes. Unruhig traten Herodias und Kephallion von einem Fuß zum anderen.
»Und dann haben wir noch diesen angefangenen Brief«, fügte Rabban Jehudah hinzu. »Die edle Herodias fand ihn gestern, als sie die persönliche Habe ihres Gatten durchsah. Er ist an Haritha adressiert.«
Antipas richtete sich auf dem Thron auf. Seine Augen rollten mit der Geschwindigkeit seiner Gedanken hin und her. Er nahm das Fragment von Rabban Jehudah entgegen, und als sein Blick über die ersten Zeilen glitt, erhob er sich langsam und murmelte mit trockener Kehle: »… werde ich nun, nachdem du meine erste Aufforderung nicht beachtet und dein sündhaftes Verhalten fortgesetzt hast, deine Liebschaft mit Zacharias offenbaren. Ich habe dich gewarnt. Was du tust, ist frevlerisch …«
Ungläubig haftete Antipas’ Blick auf dem Papier. »Hier endet der Brief.«
»Offenbar wurde Theudion unterbrochen«, sagte Rabban Jehudah gleichgültig. »Das ist kaum von Belang.«
»Er war doch erst seit einigen Tagen in Tiberias«, wandte Antipas ein.
Der Rabbiner nickte. »Und er hat mit seinen unverbrauchten Augen etwas entdeckt, das uns allen hier, die wir täglich an diesem Hof leben, entgangen ist. Selbst mir.«
Kephallion staunte nicht weniger als Antipas. Er hielt es für ausgeschlossen, dass Zacharias und Haritha … Ein absurder Gedanke. Sein so genannter Vater hätte sich nie einer Leidenschaft hingegeben, schon gar nicht mit der Frau des Fürsten. Trotzdem, es gab diesen Brief. Und Theudion war tot.
Er tauschte einen kurzen Blick mit Herodias. Für ihn war diese vermeintliche Liebschaft die Rettung – und für sie vielleicht auch. Wenn er ihr helfen würde, würde er sich selbst helfen.
»Nach diesem Brief wird mir manches klarer«, sagte er. »Ich habe bemerkt, dass mein Vater in letzter Zeit selten zu sprechen war. Er schloss sich häufig ein, und mehr als einmal nahm ich die Reste starker Düfte in seinem Gemach wahr. Natürlich hätte ich nie geglaubt, dass er so dreist sein würde, mit Haritha zu – verkehren.«
Rabban Jehudah fügte die Teile nun zu einem Ganzen zusammen. »Haritha hat Theudion vergiftet, um einer Entlarvung als Ehebrecherin zu entgehen. Sie schaffte es irgendwie, theriac in die Speise Theudions zu mischen. Dazu musste sie sich nur in die Palastküche schleichen. Wir haben das Gift in ihrem Gemach
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