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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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keine andere Entscheidung geben. Schon der Gedanke, dass ihre Mutter im Jerusalemer Palast die Herrin spielen würde, war ihr unerträglich. Und Antipas würde mit seiner Brutalität das ganze Land überziehen.
    »Antipas kommt nicht in Frage«, stellte sie fest.
    »Und wer sagt dem Kaiser das, einem Kaiser, der selbst nicht zimperlich ist? Du?« Philipp wirkte erschöpft. Er stand auf, streckte seinen Rücken und straffte die Schultern, die vom langen Sitzen verspannt waren, und sagte zu dem Schreiber neben ihm: »In zwei Stunden geht die Sonne unter. Weit kommen wir ohnehin nicht mehr, also sollten wir hier unser Lager aufschlagen. Baut die Zelte auf.«
    Der sofer verbeugte sich zum Zeichen, dass er den Befehl sofort weitergeben werde. »Vorher wäre da noch dies hier von euch zu prüfen und zu genehmigen, Herr.« Er drückte Philipp ein Pergament in die Hand. »Der Entwurf der Säule zu Ehren deines fünfzehnjährigen Thronjubiläums, geschickt von dem Baumeister, den du beauftragt hast, Herr.«
    Salome trat zu Philipp und besah sich mit ihm gemeinsam die Zeichnung. Sie blickten einander kurz an und waren sich einig.
    »Viel zu protzig«, befand Philipp. »Ich wollte eine schlanke Säule, diese hier wird aussehen wie ein tausendjähriger Baum. Und die Ornamente sind einfallslos. Ich wollte etwas Graziles, etwas Neues …«
    »Wir werden einen anderen Baumeister beauftragen müssen«, schlug Salome vor, und Philipp nickte.
    Der Schreiber verbeugte sich. »Ich habe Kenntnis von zwei Baumeistern, die deine Bedingungen mit Leichtigkeit erfüllen, Herr.«
    Salome sah den jungen Mann überrascht an. Bisher hatte sie ihn kaum wahrgenommen. Er war neu in Philipps Diensten, außerdem wuselte ständig ein Dutzend Beamter um sie herum, von denen jeder für etwas anderes zuständig war. Nun fielen ihr die schlauen Augen auf, die aus seinem hübschen, ein wenig harten Gesicht leuchteten. In letzter Zeit bediente sich Philipp fast nur noch dieses jüdischen Schreibers.
    »Der eine heißt Kallisthenes und ist seit zwanzig Jahren äußerst beliebt bei Herren mit Geschmack. Er soll nicht ganz unkompliziert sein, aber was er in die Hand nimmt, wird nobel.«
    »Nobel ist gut«, bestätigte Philipp. »Nobel ist das, was ich will.«
    Der Schreiber grinste zufrieden. »Der andere war sein Schüler und arbeitet erst kurz als gleichberechtigter Partner mit Kallisthenes zusammen. Sein Ruf hat sich schnell über ganz Griechenland verbreitet. Er hat erst drei Aufträge selbstständig erledigt, doch die Auftraggeber sollen angeblich hingerissen gewesen sein von der Ästhetik und Schönheit der Bauten.«
    Philipp lächelte, was selten vorkam. »Woher weißt du so viel darüber?«
    »Ein guter sofer weiß so etwas«, antwortete der Schreiber schlagfertig und lächelte Philipp seinerseits an.
    Salome verdrehte die Augen. »Verzeihung, wenn ich die Herren in ihrem Dialog unterbreche«, brachte sie ihre Anwesenheit in Erinnerung und fing sich einen pikierten Blick des Schreibers ein. »Dann weißt du sicher auch, wo die beiden leben?«, fragte sie.
    Der sofer verbeugte sich. »Selbstverständlich, Herrin. Kallisthenes und Timon leben in Epidauros.«
    Salome zuckte bei diesem Namen zusammen wie unter einem Stich. Es verging kein Tag, an dem sie nicht wenigstens einmal an Timon dachte, und keine Woche, in der sie nicht die Zeit in Ashdod von der ersten bis zur letzten Begegnung mit ihm in der Erinnerung auffrischte. Diesen Namen nach all den Jahren aus dem Mund eines Beamten zu hören, mit Philipp neben ihr, schien ihr unwirklich.
    Konnte das sein? Lebte Timon noch, ihr Timon? Wie viele Griechen hießen so? Wie viele davon interessierten sich – so wie er früher – für Architektur und wurden Baumeister? Die Spannung zerriss sie. Sie hätte dem Schreiber auf der Stelle tausend Fragen stellen mögen, was er noch über den Baumeister Timon wusste, aber ihre Neugier wäre sogar einem weit gedankenloseren Mann als Philipp aufgefallen. Schon jetzt, ohne dass sie nur einen Laut von sich gegeben hatte, bemerkte er eine Veränderung an ihr.
    »Was ist?«, fragte er.
    »Was soll denn sein?«, entgegnete sie ausweichend.
    »Du siehst plötzlich so blass aus.«
    »Es ist nur …« Sie schluckte. »Epidauros ist so weit weg. Bis die beiden hier sind, ist dein Jubiläum fast schon vorbei. Wie sollen sie da vorher die Säule fertig stellen?«
    Sie wusste nicht, woher sie ihre Beherrschung nahm und wer ihr genau die richtigen Worte auf die Zunge legte. Sie

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