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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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hinzuzufügen. »Sollte mein Bruder sich tatsächlich bei Pilatus über mich beschweren und sollte der Prediger irgendwann offen gegen die Römer sprechen, könnte das meinen Ruf als romtreuer Vasall beschädigen.«
    »In ein oder zwei Jahren redet kein Mensch mehr von diesem Jesus«, entkräftete sie seine Befürchtungen knapp.
    Philipps Besorgnis war ungewöhnlich, kam ihren Plänen jedoch entgegen. Sie konnte seine Stimmung hervorragend ausnutzen, um ihm ihre Idee schmackhaft zu machen. Sie musste Timon wiedersehen, dieser Gedanke allein beherrschte sie.
    »Dennoch«, fügte sie einschränkend hinzu, »wird es Zeit, unsere Stellung zu stärken und zum Angriff überzugehen. Viel zu lange schon dulden wir, dass Antipas mittels Geschenken an den Kaiser von sich reden macht, während wir unauffällig bleiben.«
    Philipp wandte sich ihr zu.
    Als sie seine Aufmerksamkeit und Neugier geweckt hatte, erläuterte sie ihre Idee. »Wir sollten eine neue Stadt bauen, eine orientalische Metropole, deren Ruf bis nach Rom dringt. Keine der üblichen, prahlerischen Residenzen, sondern kunstsinnig und nobel.«
    Das Wort »nobel« schätzte Philipp besonders.
    »Sie wird voller Badehäuser, Foren und Theater sein«, malte sie ihm aus. »Breite, säulengerahmte Straßen, belebte Märkte und bunte, atmende Gärten werden sie zu einem Athen des Ostens machen. Wir bauen sie an die Quelle des Jordan im Lande Dan, an die Ausläufer des Gebirges Hermon, damit die syrischen Kaufleute nicht länger nach Galiläa ziehen, um lukrative Geschäfte abzuschließen. Und wir benennen sie nach dir: Philippi, die Stadt Philipps.«
    In seinen ansonsten steinernen Zügen zeigte sich ein Anflug von Interesse, aber auch von Skepsis. »Wie soll diese Stadt helfen, unsere Stellung zu stärken?«
    Das war die einzige Schwachstelle in Salomes Überlegungen, die nur durch geschickte Rhetorik überspielt werden konnte. »Nun ja, eine noble, kunstvoll errichtete Stadt würde beweisen, dass du in der Lage bist, groß zu denken und dabei friedlich zu bleiben. Bisher ist deine Regierung zwar gut und gerecht, doch wenig – wie drücke ich es aus? – staatsmännisch. Es reicht nicht, dass man etwas kann, die anderen müssen es auch bemerken. Die Römer brauchen den Beweis, dass mehr in dir steckt, als den lieben langen Tag auf einem Sessel zu sitzen und zwischen Bauern zu schlichten, die sich um eine Kuh streiten. Erst dann ziehen sie dich als König in Betracht.«
    »Ich muss nicht um jeden Preis König werden«, wandte er ein.
    »Wenn nicht du, dann Antipas. Und dass dein Bruder deine Fürstenherrschaft nicht lange hinnehmen würde, liegt doch wohl auf der Hand. Er ist rücksichtslos und misstrauisch, ganz der Vater. Er würde nicht zögern, uns etwas anzutun. Die Gefahr ist groß, Philipp, darum musst du handeln, solange es noch geht.«
    Sie hatte seinen wunden Punkt getroffen, das wusste sie. Die Vorstellung, sein Bruder könnte eines Tages das gesamte Land beherrschen, war in der Tat grauenvoll, trotzdem hatte Philipp bisher jeder Versuchung widerstanden, auch nur im Ansatz das Verhalten des Antipas nachzuahmen. Er schickte Kaiser Tiberius keine Geschenke, außer zu dessen jährlichem Regierungsjubiläum ein Fass Wein von den Golanhöhen. Er benannte keine Städte nach Mitgliedern der julisch-claudischen Kaiserfamilie um und drückte römischen Befehlshabern keinen Geldbeutel in die Hand, damit sie sich in der lebensfrohen Hafenstadt Tyrus amüsieren konnten. Wenn vereinzelte Gruppen von Jugendlichen Sprechchöre gegen Rom skandierten, ging er nicht mit Gewalt gegen sie vor, sondern tauschte deren Lehrer aus, und waren es Erwachsene, so sorgte er dafür, dass in die entsprechende Gegend verstärkt gemäßigte Rabbiner gesandt wurden, die den Zorn besänftigen sollten. Sein Geld investierte er nicht in die Gegenden, die ohnehin auf seiner Seite waren, sondern besonders in die Ortschaften, die als Hochburgen der Zeloten galten. Dort schuf er Märkte und gewährte Webern, Töpfern und Schmieden Steuernachlässe. Auf diese Weise stabilisierte er das komplizierte Gleichgewicht seiner Juden zwischen berechtigter Sehnsucht nach Freiheit und dem Zorn über die Besetzung einerseits und den Freuden des Alltags und dem meist sorgenfreien Leben in einem geordneten Fürstentum andererseits. Sogar Salome, die viel über das Regieren einer Einwohnerschaft in Schriften griechischer und römischer Philosophen gelesen und einiges davon in Ashdod bereits umgesetzt hatte, lernte

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