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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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mehr an dich glauben wollte, und als ich dich trotz enormer Gefahren nach Basan holte, als ich uns zusammenbrachte und dir den Auftrag deines Lebens verschaffte, da war dir meine Ignoranz nicht unangenehm, da hast du sie in vollen Zügen genossen. Und Hochmut? War es hochmütig, als ich dir damals hinterhergelaufen bin wie eine – das waren deine Worte – rollige Katze? Ich weiß genau, was dich stört, mein Lieber, und zwar die Tatsache, dass ich Erfolg habe, weil ich Initiativen ergreife.«
    »Nein, mich stört, dass du die falschen Initiativen ergreifst.«
    »Manche sind richtig, manche sind falsch, das weiß man vorher nicht immer. Eigentlich solltest du das wissen, oder würdest du sagen, dass deine Idee, meine Großtante zu ermorden, ein guter Einfall war?«
    Er wirbelte herum und richtete seinen Zeigefinger auf sie. »Vergleiche das nicht mit dem, was du getan hast.«
    »Johannes, nicht wahr? Es geht immer noch um den Täufer.«
    »Deine Großtante war eine Mörderin, Salome, und ich war noch ein halbes Kind. Du dagegen bist klug und erwachsen. Der Täufer hatte dir nichts getan, er war nur ein Prediger unter tausend anderen. Für dich war er ein Instrument, ein Hilfsmittel, mit dem du deine Ziele erreichen wolltest.«
    »Ich wollte dich beschützen.«
    »Ja. Und du wolltest deinen Stiefvater besiegen und Königin werden.«
    Sie verdrehte die Augen. »Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich …«
    »Wenn du alles ungeschehen machen könntest«, schnitt er ihr das Wort ab, »würdest du es tun?«
    »Eine hypothetische Frage, die uns nicht weiterbringt.«
    »Antworte! Würdest du den Tanz und die Hinrichtung rückgängig machen?«
    Salome holte tief Luft. Sie zögerte drei, vier Herzschläge lang. Ohne den Tod des Täufers würden noch immer die Häscher des Antipas hinter Timon her sein. Auch Philipp wäre bedroht, und sie würde Gefahr laufen, von Antipas in Besitz genommen zu werden. Das Land wiederum müsste unter einem König leiden, der noch schlimmer wäre als einst Herodes.
    Salome schlug die Augen nieder und schwieg.
    Timon seufzte. »Wusste ich es doch. Du spielst Schicksal auf Kosten anderer.«
    »Wir alle spielen Schicksal, Timon«, entgegnete sie bedrückt. »Mit allem, was wir tun, und allem, was wir nicht tun. Ich sehe dieser Verantwortung ins Gesicht und bin bereit, mich dem Urteil der Welt zu stellen.«
    »Siehst du«, sagte Timon und ging zur Tür. »Genau das nenne ich Hochmut. Und ich weiß nicht, ob ich weiter damit leben will.«
     
    Die folgenden beiden Wochen waren furchtbar für Salome. Nicht nur Philipp ging ihr weiterhin aus dem Weg, so dass sie ihn überhaupt nicht mehr zu Gesicht bekam, sondern auch Timon. Für einige Tage reiste er sogar nach Philippi, um seine Arbeit wieder aufzunehmen, aber Kallisthenes schickte ihn zurück, denn die Wunde an seiner Schulter brach wieder auf und musste versorgt werden; nichts Ernstes zwar, doch die ärztliche Betreuung in einem Lager konnte nicht so gut sein wie am Hof des Tetrarchen. So kehrte Timon nach Bethsaida in den Palast zurück. Tatsächlich kümmerte sich ein jüdischer Arzt um ihn, jedoch nicht der griechische Hofarzt, der viel besser ausgebildet war und bisher Timons Wunden versorgt hatte. Er habe anderweitig zu tun, hieß es. Salome sah darin nur eine weitere Schikane der Höflinge, insbesondere Nathans. Da Timon sich allerdings schnell wieder erholte, ging sie nicht dagegen vor.
    In diesen Tagen sprach sie wenig mit Timon. Beide wichen beharrlich der Fortsetzung ihres Disputes aus – und beide wussten es. Die wenigen Male, die sie in diesen zwei Wochen zusammentrafen, sprach Timon über seine heilende Schulter und Salome über das bevorstehende Neujahrsfest rosh-ha shana , mit dessen Vorbereitungen sie derzeit beschäftigt war. Sie ging diese Aufgabe viel akribischer an als in den Jahren zuvor, denn etwas anderes hatte sie ja nicht zu tun. Weder ihr Gemahl und seine Regierungsgeschäfte noch ihr Liebhaber und die Stunden mit ihm brachten ihr Abwechslung, und sie sehnte bereits die Ankunft von Pilatus herbei, der die förmliche Anerkennung des Kaisers überbringen und das neue Königspaar anschließend nach Jerusalem begleiten würde, wo Zeremonien und Feierlichkeiten auf sie warteten. Die Aussicht darauf war das einzige Licht in der Trostlosigkeit der letzten Tage des Jahres.
    Eines Nachmittags, als Salome soeben von einem Spaziergang in den Olivenhainen zurückkehrte, begegnete ihr Timon kurz hinter den Mauern Bethsaidas. Die

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