Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome
begegnet. Doch sie konnte ihm nicht alles durchgehen lassen. Künftig würde sie Königin sein, und da musste sie wenigstens die Autorität in ihrem eigenen Haus besitzen. Sollte der Hof denken , was er wollte, aber er musste tun , was Philipp und sie wollten.
»Ich werde dein Verhalten nicht länger tolerieren«, mahnte sie.
»So?«, grinste er. »Was willst du machen? Mich köpfen?«
»Deine Scherze sind ebenso geschmacklos wie unangebracht. Ich besitze durchaus noch genug Einfluss auf meinen Gemahl, um dich …«
»Was du sagst, hat keine Bedeutung mehr für Philipp«, unterbrach er sie.
Salome stutzte über seine vertrauliche Bezeichnung des Tetrarchen, den ein Sekretär eigentlich nicht mit dem Vornamen benennen durfte. Noch während sie sich wunderte, fuhr er fort:
»Und bemühe dich nicht, ihn irgendwie auf deine Seite zu bringen. Du könntest eine ganze Woche lang von morgens bis abends vor ihm tanzen, ohne auch nur das Geringste zu bewirken. Er ist fertig mit dir. Du hast ihn für immer lächerlich gemacht mit deinen widerlichen Verrenkungen und deinen nackten Brüsten.«
Nathan wurde lauter und heftiger. »Wenn es nach mir ginge, würdest du verstoßen werden und auch die Stadt verlieren, die du mit in die Ehe gebracht hast. Gründe dafür hast du ihm genug geliefert. Du hast Glück, dass Philipp ein anständiger Mensch ist. Dafür liebe und verehre ich ihn, und ich werde nicht zulassen, dass du seinen Namen noch weiter in den Schmutz ziehst. Warum lässt du ihn nicht einfach in Ruhe und sinkst in die Arme deines griechischen Liebhabers?« Nathan atmete tief durch, doch das konnte seine Erregung nicht dämpfen. »Er hat dich einmal geliebt, wusstest du das? Ja, auf seine Weise war er dir ergeben. Doch das ist nun endgültig vorbei.«
Eine Tür öffnete sich, und Philipp trat heraus. Er trug nur einen seidenen, zartgrünen Umhang, den er sich locker um Schultern und Hüften geworfen hatte. Seine Haare waren zerzaust, und seine Augen wirkten verschlafen. Es war für Salome offensichtlich, dass er eben noch in fremden Armen gelegen hatte. Sie gönnte ihm diese Liebelei, ja, einen Moment lang musste sie sogar schmunzeln, als sie sah, dass sein Auftritt ihm ein wenig peinlich war.
»Habe ich dich also doch noch gefunden«, begrüßte sie ihn.
»Was ist denn hier los?«, fragte er. »Ihr weckt mit eurem Geschrei den ganzen Palast auf.«
» Ich habe nicht geschrien. Dein übergeschnappter Schreiber hier führt sich auf wie eine Schwiegermutter und hält mir Vorträge über unsere Ehe.«
Nathan blies die Backen auf. »Philipp, ich habe nur …« Er biss sich auf die Lippe, als er merkte, wie unangemessen er sich ausgedrückt hatte. Es konnte sein, dass sie sich untereinander vertraulich anredeten – vor anderen war das undenkbar. »Herr, ich habe deiner Gemahlin bloß verständlich machen wollen …«
»Du wirst die Fürstin künftig nicht mehr anschreien, Nathan«, befahl Philipp ruhig und knapp, wie es seine Art war. Und an Salome gewandt, fügte er hinzu: »Und du, Salome, wirst diesen Trakt künftig nicht mehr betreten.«
»Ich werde es wohl schaffen, dieser wahrhaft gigantischen Versuchung zu widerstehen«, konterte sie sarkastisch. »Schon allein deshalb, weil mir die Gelegenheit dazu fehlen wird. Ich werde nämlich umziehen.«
Philipp runzelte die Stirn. »Wie meinst du das?«
Sie überreichte ihm die Schriftrolle, und er las sie gleich zweimal. Als er die Botschaft endlich sinken ließ, verkündete sie:
»Der Palast von Jerusalem erwartet uns, Philipp. Der Palast deines Vaters, Herodes des Großen. Nach so vielen Jahrzehnten wird dort endlich wieder ein König einziehen, noch dazu einer, der würdiger nicht sein könnte.«
»Würdiger?« Philipp wiederholte das Wort kopfschüttelnd. »Ich werde König, weil mein Bruder in den Wahnsinn getrieben wurde von meiner …« Er sprach es nicht aus. »Der Kopf eines Propheten ist der Preis für diese so genannte Würde. Ich glaube, niemals zuvor hat ein König unter schlimmeren Vorzeichen sein Amt angetreten.«
Nachdenklich, fast niedergeschlagen, verschwand er wieder in dem Gemach, aus dem er gekommen war, und ließ Salome ratlos zurück. Philipp würde König der Juden werden, doch er tat so, als habe man ihn zum Tode verurteilt.
»Ich verstehe ihn nicht«, murmelte sie vor sich hin.
Nathan griff diese Bemerkung sogleich auf. »Nein, du wirst ihn nie verstehen. Du magst in Judäa geboren sein, und jüdisches Blut fließt in deinen Adern, aber
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