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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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gegen ihn beeinflusst hatte.
    »Ich hörte von dem Überfall«, sagte sie mit teilnahmsloser Stimme. »Sehr betrüblich.«
    »Ja, Erhabene«, erwiderte Archelaos so höflich, wie es ihm möglich war. Er war eben degradiert und als Versager tituliert worden. Sein Land war in Aufruhr, sein wichtigster Berater, der den Augustus vielleicht noch hätte zu seinen Gunsten einnehmen können, war getötet worden, seine Brüder waren wie Feinde, und nun sprach er mit einer Intrigantin, die ihm seinen Königstitel missgönnte. Wer konnte wissen, wie weit sie gehen würde, um ihm zu schaden? Er erinnerte sich der Gerüchte, die er als Jugendlicher in Rom aufgeschnappt hatte und die sich um die vielen Todesfälle in der julischen Familie drehten. Augustus’ vielversprechender Neffe, seine beiden Enkel, sein bester Freund und potenzieller Nachfolger, sie alle waren tragischen Unfällen oder rätselhaften Krankheiten zum Opfer gefallen. Nur Livias Sohn Tiberius, der Stiefsohn des Augustus, war noch übrig geblieben. Waren das Zufälle?
    »Ich hörte, der Junge ist verletzt«, fuhr Livia mit kühlem Unterton fort.
    »Eine tiefe Schramme. Sein Körper wird eine Narbe zurückbehalten. Der Tod seines Vaters ist bedeutend schlimmer.«
    Livia nickte. »Auch Augustus schmerzt der Tod von Nikolaos außerordentlich, und er möchte, dass der letzte Wille seines langjährigen Beraters und treuen Dieners erfüllt wird.«
    »Die Bestrafung des Täters?«
    Livia schüttelte mit übertriebener Traurigkeit den Kopf. »Schwerlich, mein guter Archelaos. Wir werden den Mann wohl niemals finden. In Rom gibt es zu viele Räuber.«
    Archelaos wusste nicht, woher er den Mut nahm, hinzuzufügen: »Und Meuchelmörder, Erhabene.«
    Livia blieb ungerührt wie eine Festung, die gerade mit einem Kiesel beschossen worden war. Keine Augenbraue und kein Finger regten sich an ihr, und weder der Rhythmus noch der kalte Ton ihrer Worte änderten sich. »Wenn du dahingehend einen Verdacht hast, mein Guter, solltest du ihn Augustus mitteilen, damit er dich schützen kann. Willst du das jedoch aus Mangel an Beweisen nicht tun, so ist es besser, für alle Zeit darüber zu schweigen, denn wo es einen Meuchelmord gegeben hat, ist der zweite vielleicht schon nicht mehr weit. Ich wäre sehr besorgt.«
    Archelaos konnte Livias Blick nur einen Moment lang standhalten, dann schlug er die Lider nieder. »Du hast gewiss Recht, Erhabene.«
    Sie berührte Archelaos an der Schulter und führte ihn langsam zur Pforte des Thronsaales. »Wie dem auch sei, mein Guter, Nikolaos hat erst kürzlich gesagt, dass er für den Fall seines Todes dich als Vormund seines Sohnes haben möchte.«
    »Mich?«, hallte Archelaos’ Stimme durch den Saal. Das kam überraschend, ja, das war undenkbar. Sein Lehrer hatte ihn zwar oft unterstützt, aber er hatte keine allzu hohe Meinung von ihm gehabt. Frauen und Wein, lustige Abende voller Sinnlichkeit und verdöste Tage hatten dem alten Philosophen nie gepasst. Seine Auffassung von einem Herrscher war antiquiert gewesen, dominiert von Begriffen wie Disziplin und Aufopferung, Anstand und Ernst, also von Langeweile. Wieso also sollte der Alte Timon in seine Obhut geben, wo der Junge doch beim hochmoralischen, ernsten und aufopfernden Augustus viel besser aufgehoben wäre?
    »Hat er diesen Wunsch schriftlich niedergelegt oder dem Erhabenen mündlich mitgeteilt?«, fragte er und schaffte es ein weiteres Mal, provokant zu klingen.
    »Weder noch, mein Guter. Er hat diesen Wunsch mir erst vor wenigen Tagen mitgeteilt.«
    »Nur dir, Erhabene, sonst niemandem?«
    »So ist es. Ich habe die Sache Augustus vorgetragen, und er ist einverstanden. Timon geht mit dir nach Judäa als dein Mündel.«
    »Timon hat mir gesagt, dass er in Rom bleiben will, um …«
    »Um?«
    Der Junge wollte den Mörder seines Vaters finden. Wenn Archelaos genauer darüber nachdachte, war es tatsächlich besser, Timon daran zu hindern, denn je mehr der Junge schnüffelte, umso eher könnten der Mörder und seine Anstifter sich provoziert fühlen und alle Zeugen des Verbrechens beseitigen wollen.
    Erneut hielt er dem Blick Livias nicht stand. »Nichts, Erhabene. Ich werde ihn nach Judäa mitnehmen. Zu seinem eigenen Besten.«
    »Eine weise Entscheidung, Archelaos. Augustus ist vorhin vielleicht ein wenig hart mit dir ins Gericht gegangen, denn du hast auch Vorzüge. Deine Fähigkeit zur Einsicht und zum schnellen Lernen ist für mich offensichtlich. Nur weiter so, dann wird sich alles zu

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