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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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die Schützen spannten ihre Bogen.
    Menahem schloss die Augen und blieb treu an Sadoqs Seite, wie auch die meisten der anderen Zeloten. Sadoq stimmte einen Psalm an, den einst König David in großer Bedrängnis auf dem Weg nach Jerusalem gesungen hatte: »Hart hat man mir zugesetzt von Anfang an, doch niemals hat man mich vernichten können. Den Rücken hat man mir aufgerissen wie ein Feld, in das man Furchen pflügt. Der Herr aber ist mir treu geblieben …«
    Sadoqs Leute sangen mit, und der Platz war erfüllt von ihren tiefen Stimmen.
    Der Offizier zögerte nur kurz, dann hob er unbarmherzig sein Schwert, um das Zeichen für die Schützen zu geben, doch in diesem Moment sprang einer aus dem Volk auf ihn zu und riss ihn vom Pferd. Und wie ein kleiner Funke ein trockenes Feld im Nu in Brand setzt, so griff die Wut und Entschlossenheit eines Einzelnen binnen weniger Momente auf viele andere über, sie fassten Mut und schlugen mit allem, was sie gerade in Händen hatten, auf die Soldaten ein, mit Stöcken und toten Fischen, Körben und sogar mit Geldbeuteln. Die Soldaten hätten ihnen leicht den Garaus machen können, waren allerdings so überrascht, dass sie nur schützend die Arme vor den Kopf hoben, um unbeschadet den Rückzug anzutreten, was ihnen auch gelang. Als sie vom Platz vertrieben waren, brandete kurzer Jubel auf, und Sadoq winkte seinen Rettern dankbar zu.
    Die Menschen stoben wie Funken auseinander und verschwanden in der einsetzenden Dämmerung, denn es würde nicht lange dauern und die Soldaten kämen mit Verstärkung zurück, das wusste auch Sadoq und gab seinen Leuten das Zeichen, sich zu zerstreuen. Er selbst floh mit Menahem in eine der kleinen, dunklen Straßen der Unterstadt.
    »Von heute an«, sagte er keuchend zu seinem Freund, während sie nebeneinander herrannten, »wird jeder in Jerusalem wissen, wer die Zeloten sind, glaube mir. Von heute an sind wir die vierte Sekte unseres Volkes.«
     
    »Die drei Sekten des Volkes Israel sind«, begann Timon und dachte angestrengt nach. Er stand am Pult des cheder und sah aus, als forsche er nach etwas, das in einem entlegenen Winkel seiner Erinnerung verborgen lag.
    »Äh«, sagte er und brachte damit die Schüler zum Kichern. Auch Salome amüsierte sich, selbst Zacharias, der ihm diese für einen Juden einfache Frage gestellt hatte, schmunzelte in seinen Bart hinein. Griechen war diese Einteilung in religiöse Gruppen natürlich fremd, in Judäa dagegen hatte sie eine lange Tradition, und wer das Volk Israel wenigstens im Ansatz verstehen wollte, musste die Sekten und die Grundzüge ihrer Überzeugungen kennen. Die Frage lag also ganz in Timons Interesse, doch mit der Antwort kämpfte er noch.
    »Die Sadduzäer«, half Zacharias und benannte jene Sekte, der er am meisten Sympathie entgegenbrachte.
    »Richtig, die Sadduzäer«, sagte Timon. »Sie werden von den vornehmen, priesterlichen Familien geführt und stellen bis heute auch den Hohepriester. Die geschriebene Lehre Gottes, die thora , ist der einzige Maßstab, den sie gelten lassen. Aber sie sind immer um Ausgleich mit fremden Völkern bemüht.«
    Zacharias nickte wohlwollend, und Salome grinste in sich hinein. Timon hatte die Sadduzäer sehr schmeichelhaft beschrieben, fand sie. Was er gesagt hatte, stimmte zwar, aber er hatte auch eine Menge unterschlagen, zum Beispiel, dass die Sadduzäer sich für eine Art Adel hielten, dass sie sich oft hochmütig gebärdeten und auf die übrigen Sekten herabsahen, vor allem auf die Pharisäer, die um die Volksgunst buhlten. So etwas hatten die Sadduzäer nicht nötig – meinten sie zumindest.
    »Die Pharisäer«, fuhr Timon fort. »Ihr Name bedeutet ›die Abgeschlossenen‹. Sie geben sich volkstümlich und fügen der thora ihre eigenen Lehren hinzu. Sie wollen neue Verhaltensweisen festschreiben und das gesamte Leben der Männer und Frauen bis ins Einzelne mit Richtlinien versehen: Kleidung, Festgebaren, welche Vergnügungen erlaubt sind und welche nicht und so weiter.«
    Wieder hatte Timon etwas weggelassen, nämlich dass die Pharisäer weit beliebter als die Sadduzäer waren. Nicht bei Salome allerdings, denn wenn es nach den Pharisäern ginge, dürfte sie als Frau nicht am Unterricht teilnehmen und hätte weitaus weniger Rechte als jetzt.
    Wenn ich erst Fürstin und Königin bin, dachte sie, werden die Pharisäer meine schlimmsten Gegner sein.
    »Die Essäer«, komplettierte Timon seine Aufzählung. »Sie leben arm und bedürfnislos und mischen sich

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