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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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und sprach zu den vielen Menschen, die zu dieser Nachmittagsstunde ihren Geschäften im Zentrum Jerusalems nachgingen.
    »Volk Israel«, wiederholte er laut, um mehr Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Erst als viele stehen blieben und zu ihm aufsahen, begann er: »Der Ethnarch hat uns verraten. Um König zu werden, verneigt er sich vor den Römern und tut alles, was sie wollen. Schon bald werden sie mit ihren Schreibern kommen, mit ihren Nummern, und werden uns alle in ihre Register einsortieren. Aber wir sind kein Teil von ihnen, wir sind keine Zahlen, wir gehören uns allein. Wer gibt dem Ethnarchen das Recht, uns preiszugeben? Wer gibt ihm überhaupt das Recht, irgendetwas in unserem Namen zu tun, wo doch nicht wir es waren, die ihn zum Herrscher gemacht haben, sondern der Augustus in Rom? Nein, Volk Israel, ich sage dir, Archelaos ist nicht dein Gebieter!«
    Nach diesen Worten erfüllte Raunen den Platz, die Menschen diskutierten, gestikulierten, manche schimpften, andere klatschten. Sadoq musste nicht weiterreden, er hatte mit diesen wenigen Worten erreicht, was er wollte. Er nickte Menahem zu. Sein Freund stand neben ihm und gab nun seinerseits ein Zeichen, woraufhin sich etwa drei Dutzend Männer auf die Stufen vor das Portal setzten und es blockierten.
    Sadoq überschaute seine Gruppe wie ein Feldherr seine Legionen. Drei Dutzend Männer. Mehr Herzen und Köpfe hatte er in diesen Jahren seit der Gründung nicht für sich gewonnen. Seine Zeloten, die Eifernden, waren unbekannt, niemand interessierte sich für sie, und die wenigen, die es doch taten, waren nicht lange in seiner Sekte geblieben. Sadoq kannte die Ursache. In ihren Augen tat er das Falsche. Sie wollten mit Steinen gegen Soldaten vorgehen und Archelaos aus dem Land jagen, doch was sagten Sadoq und Menahem zu ihnen: Keine Gewalt! Wir stellen uns allen Feinden des Volkes in den Weg, ohne zuzuschlagen! Gewalt brauchen wir nicht, nur Festigkeit. Wenn wir eines Tages viele sind und stark, dann werden die Fremden und die Böswilligen an ihrer eigenen Schwäche zerbrechen!
    Doch den Zornigen war er damit zu methodisch, den Mutigen zu feige und den Ungeduldigen zu langsam. Und dann gab es noch jene, die sich daran störten, dass sein Bart noch immer nicht richtig wuchs, obwohl er nun doch schon Mitte zwanzig war. Auch die Tatsache, dass Menahem seinen Bart kurz hielt, war ihnen nicht geheuer. Konnten Männer, deren Äußeres nicht im Sinne der thora war, sie anführen? Konnte der Herr durch den Mund von Bartlosen sprechen?
    Diese Fragen stellte Sadoq sich nicht, ebenso wenig Menahem. Der Herr hatte ihnen nicht beigestanden, als sie ihre Angehörigen verloren, und der Herr jagte die Römer nicht aus dem Land. Sie warfen ihm das nicht vor, aber sie erflehten auch nicht seine Hilfe. Und schon gar nicht beriefen sie sich auf ihn. Er sollte mit dem, was sie taten, nichts zu tun haben.
    Drei Dutzend Männer, so wenige waren ihm nur geblieben, doch er hielt an seiner Taktik fest. Seine große Stunde würde noch kommen. Vielleicht war die jetzige ein erster Schritt dorthin.
    Er setzte sich mit Menahem zu seinen wenigen Getreuen und ließ niemanden durch, der in den Tempel wollte. Einigen seiner Männer fiel es schwer, angesichts der Beleidigungen standhaft zu bleiben. Ihr wollt euch nur wichtig machen, meinten einige, und andere sprachen ihnen gar ab, im Sinne Gottes und des Volkes zu handeln. Das war hart, das traf ins Herz, aber Sadoqs Stärke gab auch seinen Anhängern Kraft. Setz dich zu uns, Freund, forderte er jeden auf, der ihn beschimpfte, und so machten es die anderen Zeloten ihm nach.
    Auf dem Platz tat sich etwas. Ein berittener Offizier der Stadtwache kam aus einer der Straßen und schrie Befehle, die man bis zu Sadoq hinauf unmöglich verstehen konnte. Augenblicke später marschierten Soldaten auf, einige mit Bögen, andere mit Schwertern bewaffnet. Sie bahnten sich unter dem Murren der Bürger einen Weg bis zum Fuß der Stufen.
    »Steht auf und geht eures Weges«, schrie der Offizier. »Dann passiert euch nichts.«
    Die Zeloten wurden unruhig, Sadoq jedoch blieb ungerührt sitzen.
    »Sie werden uns niedermachen«, stieß Menahem hervor.
    Sadoq lächelte. »Jeder Pfeil und jeder Schwertstreich macht uns stärker. Sie treffen nur sich selbst.«
    »Selbst wenn«, flüsterte Menahem, »bis die das merken, sind wir längst tot.«
    Einzelne Zeloten sprangen auf und liefen davon, doch dem Offizier waren das nicht genug. Er schrie einen weiteren Befehl, und

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