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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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habe selbst gesehen, wie du dich über den halbnackten Griechen gebeugt hast. Kephallion hat mir von euren Treffen erzählt, aber ich wollte mich selbst überzeugen, also bin ich zum Strand gegangen. Der Grieche war weit hinaus ins Meer geschwommen, und als er zurückkam und erschöpft im Sand lag, hast du seinen Rücken gestreichelt.«
    »Na und?«
    Zacharias’ Augen wurden groß, ebenso wie sein Mund. »Na und?«, rief er fast heiser. »Wir sprechen hier über ein schweres Vergehen.«
    »Schluss damit«, rief Akme und erhob sich ruckartig von ihrem Schemel. »Euer alberner Disput bringt uns nicht weiter.«
    Akme sah ihre Großnichte an. Nein, das war nicht mehr das Mädchen, das sie vor wenigen Monaten verlassen hatte. Salome war eine junge Frau geworden, nicht eigentlich bezaubernd, auf eine seltsame Weise jedoch anziehend. In den großen, sinnlichen Augen und den geschwungenen Konturen des Körpers war deutlich das Erbe der Herodias zu sehen, die Würde ihrer Körperhaltung und der starke Wille und Trotz, der darin zum Ausdruck kam, erinnerten dagegen an Theudion. Dazu der Perlenschmuck, die Frisur … Sie hatte, seit sie das gyneikon betreten hatte, nicht ein einziges Mal gehustet, und das, obwohl sie angesichts der Anschuldigungen aufgeregt sein musste. Keine Frage, nur ein tiefes Gefühl, gefallen zu wollen, konnte diesen rapiden Wandel herbeigeführt haben. Und wem anderem als einem jungen Mann wollte eine knapp Siebzehnjährige schon gefallen?
    Die Beschuldigung des Zacharias war wohl gerechtfertigt, dieser Aspekt interessierte sie allerdings wenig. Sie konnte sich noch sehr gut an ihre eigene Zeit zwischen Kindheit und Erwachsensein erinnern, an die heftigen Gefühle, an die Nächte, die sie schlaflos in Gedanken an irgendeinen jungen Mann verbrachte, und an den Hass gegen die Sitten und Bräuche, die Intimität verboten. Mochte Salome ruhig dagegen verstoßen, und mochte sie im Stillen auch Gott verstoßen, so wie sie selbst es schon vor langer Zeit getan hatte.
    Ein anderer Aspekt dieser Angelegenheit machte Akme skeptisch: Wer war dieser seltsame Grieche, der angeblich die Welt bereiste? Warum kam er ausgerechnet nach Ashdod? Irgendetwas daran beunruhigte sie.
    »Was kannst du mir über diesen Jungen berichten«, fragte Akme. »Wer ist er?«
    »Er heißt Timon«, antwortete Salome, erschöpft vom Streit.
    »Das weiß jeder. Woher kommt er?«
    »Ich habe ihn nicht gefragt. Er war früher in Rom und …«
    »In Rom? Und was will er hier?«
    »Ich … ich weiß nicht. Lernen vermutlich. Griechen lernen andauernd.«
    »Keine spitzfindigen Antworten, bitte. Welche Fragen stellt er? Wollte er auch etwas über mich wissen?«
    »Nur das Übliche.«
    So kam sie nicht weiter. Ihre Großnichte war in diesen Timon verliebt, das war offensichtlich. Sie musste, um alles über den Griechen herauszufinden, gerissener vorgehen.
    »Hast du nun also bei diesem Griechen gelegen oder hast du nicht?«
    Zacharias kam mit dem Gebetbuch herbei. »Schwöre auf das siddur «, rief er feierlich, doch Akme schob ihn zur Seite.
    »Diesen Unsinn brauchen wir nicht. Sieh mich an, Salome, und sage mir die Wahrheit.«
    Ihre Großnichte blickte zu ihr auf.
    »Nun?«, fragte sie nach und hob Salomes Kinn an. »Du würdest, da bin ich mir sicher, das siddur und Gott anlügen, aber nicht mich. Nicht nach allem, was ich für dich und deine Familie getan habe. Also bitte, sage mir die Wahrheit.«
    Salome zögerte nur noch einen Moment, dann senkte sie den Kopf. »Wir haben nebeneinander gelegen«, gestand sie. »Und wir haben uns manchmal berührt. Doch wir haben nicht …«
    »Diese Vergehen genügen bereits«, empörte sich Zacharias. »Das Mädchen gehört unter die Obhut eines Mannes, damit sie nicht verdirbt. Wir sollten sofort ihren Vater verständigen. Theudion ist ein frommer Mann, er wird die richtige Wahl treffen.«
    Akme kniff die Augen zusammen, sah abwechselnd den Rabbiner und Salome an und dachte nach. Gleich darauf kam ihr eine Idee.
    »Nicht Theudion, sondern ich«, sagte sie an Salome gewandt, »werde dir einen sittenstrengen Mann bestimmen, der dich im Zaum zu halten vermag und der nichts für Eskapaden übrig hat. Dem Brauch und Tradition über alles gehen.«
    Zacharias nickte, als habe er soeben einem Spruch aus dem Munde Salomons höchstselbst gelauscht, doch schon im nächsten Augenblick entglitten ihm alle Gesichtszüge.
    »Und dieser Mann«, fügte Akme hinzu, »heißt Kephallion.«
     
    Im gyneikon hätte man eine

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