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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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informieren, die während ihrer Abwesenheit geschehen waren. Aber so viel war überhaupt nicht vorgefallen, dass es eine Stunde gedauert hätte, es zu berichten. Die Gerüchte vor der Tür schossen ins Kraut: Vielleicht erzählte die Tetrarchin von ihrer Reise, vielleicht gab es Neuigkeiten aus Rom, vielleicht …
    »Man erzählt sich«, wisperte Berenike ihrer Freundin Salome ins Ohr, »dass der Ethnarch abgesetzt wurde und Judäa schon bald große Veränderungen bevorstünden. Dass der Reif der Könige bereits auf dem Weg nach Jerusalem sei, um neu vergeben zu werden. Jetzt stellt sich natürlich jeder die Frage, ob der dicke Antipas oder der schweigsame Philipp ihn bekommen. Für wen bist du?«
    »Ich bin für Akme.«
    Berenike lachte und schüttelte ihre hübschen, sorgfältig gedrehten Locken. »Du weißt genau, dass das nicht geht.«
    »Das hast du auch gesagt, als ich Unterricht wollte. Und hast dich geirrt.«
    Berenike lächelte sie freundlich und auch ein wenig mitleidig an. »Hätte ich bloß Recht behalten. Du hattest nichts als Scherereien, seit du in die Schule gehst, sieht man einmal von …« Sie unterbrach sich, warf einen verstohlenen Blick auf Timon, der nur einen Schritt entfernt stand, und trat so weit an Salome heran, bis ihre Lippen deren Ohr berührten. »Sieht man einmal von dem Jungen ab, der immer neben dir sitzt. Ich finde ihn ja ein bisschen klein …«
    »Er ist nicht klein«, widersprach Salome sofort. »Er ist …«
    Die Tür öffnete sich, und Zacharias erschien. Er blickte sich in der Menge der Verwandten um, dann blieb sein Blick auf Timon haften, schließlich auf Salome.
    »Salome«, rief er. »Die Fürstin wünscht dich zu sehen.«
     
    Akme saß auf einem Schemel und beobachtete den Streit, der vor ihr ausgetragen wurde.
    »Das ist eine Lüge«, rief Salome und funkelte Zacharias mit Habichtsaugen an. »Du erfindest das, weil es dir nicht passt, dass ich auch etwas anderes lernen will als die Bücher der thora .«
    Zacharias schüttelte energisch den Kopf. »Im Gegenteil, ich habe dich bisher wegen deiner Klugheit geschätzt.«
    »Du hast mich nur so lange geschätzt, wie ich jedes deiner Worte für pure Wahrheit nahm. Nun habe ich angefangen, alles, was du sagst, zu prüfen und zu hinterfragen. Ich glaube dir nicht länger, dass Gott alle Tiere am fünften Tag unveränderlich erschaffen hat, da doch Aristoteles bewiesen hat, dass Tiere sich im Lauf der Geschichte verändern. Ich glaube dir nicht mehr, dass der Mond nur aus dem Grund erschaffen wurde, um uns den Monatsanfang kundzutun und damit den Tag der Arbeitsruhe, und ich glaube dir nicht …«
    »Du bist wie Eva, ein schwaches, verführbares Wesen, unwürdig, das Wort Gottes in all seiner Reinheit, Schönheit und Tiefe zu begreifen. Wegen deiner Beschäftigung mit den profanen Wissenschaften der Heiden werde ich dich des cheders verweisen. Ich hätte gleich am ersten Tag, als du vor mir standest, auf Kephallion hören sollen. Du warst tückisch, hast meine Gutgläubigkeit ausgenutzt … Ich habe sogar noch zu dir gehalten, als du anfingst, dein Äußeres zu verändern. Deine Kleidung und die Bemalung deiner Lippen zeugen von Eitelkeit, ganz die Mutter. Der Herr jedoch verkündete durch den Mund des Propheten Jesaja: ›Seht doch, wie hochnäsig sie sind, die Frauen. Der Tag kommt, an dem ich ihnen allen Schmuck wegnehmen werde. Dann bekommen sie statt Wohlgeruch den Gestank von Fäulnis, statt des Gürtels einen Strick, statt kunstvoll geflochtener Haarpracht eine Glatze, statt der Schönheit die Schande eines Brandmals. Dann werden gleich sieben Frauen sich an einen Mann klammern und darum flehen, als sein Weib zu gelten‹. So sprach der Herr.«
    »Oh ja, er beklagt sich viel über die Frauen«, entgegnete Salome sarkastisch. Ihr seit langem aufgestauter Ärger über die Einseitigkeit der thora , die Bevorzugung der Männer und Söhne und die Gesetze, die alles verboten, was ihr natürlich schien, machte sich nun Luft. Mochte sein, dass das einfache jüdische Landvolk rücksichtsvoll und gütig war, diese Familie war es nicht – und die Frömmler auch nicht.
    »Und was ist mit den Männern?«, rief sie. »Dein Bart, zum Beispiel. Wächst der von Natur aus so spitz zu oder hilfst du da etwas nach? Und der Ring an deinem Finger? Wie nennst du das, wenn nicht Eitelkeit?«
    »Wie kannst du es wagen, die Worte des Herrn zu verdrehen?«
    »Wie kannst du es wagen«, übertönte sie ihn, »mir eine Sünde vorzuwerfen?«
    »Ich

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