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Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen

Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen

Titel: Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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zweier Schuljungs, die ihm bei der Gelegenheit einen Zwanzigeuroschein stahlen, wieder auf die Beine. Er wankte nach Hause und legte sich ins Bett. Erst weinte er. Dann aber meldete sich der Künstler in ihm.
    Was war passiert? Die Wirklichkeit hatte sich seiner Vision bemächtigt. Aus einer zarten existenzialistischen Liebesgeschichte war eine raue Parabel über die Unmöglichkeit des Glücks geworden. Als Schmalenbach aufstand, war er sicher: Eine höhere Gewalt hatte ihm unter die Arme gegriffen. Über Nacht war aus einem viel versprechenden literarischen Talent mit leichtem Hang zur Kolportage ein Autor der Weltliteratur geworden.
    Er rief Manderscheid an und erklärte, sein Text sei Makulatur, er müsse ihn ändern.
    Manderscheid wurde etwas ungehalten. »Da ist nichts mehr zu machen. Der Text ist aufgenommen, heute Abend geht er über den Äther.«
    Schmalenbach dachte nicht daran, Kompromisse einzugehen. »Ich bin der Autor, und wenn ich das will, müssen die Maschinen stoppen. Das war bei Brecht und Thomas Mann auch so.«
    »Deshalb haben Brecht und Thomas Mann auch niemals für die Mundartecke beim HR 2 gearbeitet, Schmalenbach. Im Übrigen versendet sich das doch sowieso.«
    Damit legte er auf.
    Schmalenbach war todunglücklich. Etwas Linderung verschaffte ihm die Einschaltquote seiner Debütsendung: 0,03 Prozent. Manderscheid meinte später im »Promi«, es müssten so sechzig bis siebzig Leute gewesen sein, zumindest am Anfang. Er bot Schmalenbach an, doch mal eine Fußballglosse für die Sportredaktion der Frankfurter Rundschau zu schreiben.
    Aber dieser war ein anderer geworden. »Ich habe das Schreiben ganz aufgegeben«, sagte er müde. »Es ist die Wirklichkeit, die die guten Geschichten schreibt. Unsereiner kommt da nicht hinterher.« Nach diesen Worten kehrte Stille ein.
    Nur Pfeifenberger konnte sich nicht verkneifen, seinen Senf dazuzugeben. »Hast du eigentlich schon einen ausgegeben auf deinen Durchbruch?«, fragte er.
    Schmalenbach ging müde davon. Er hatte sich zu einer Samenspende entschlossen. Als bescheidene Anzahlung auf die Ewigkeit.

Putzhilfe
     
    Pfeifenberger hatte ein Problem. Das merkte man sofort. Er machte sich nicht einmal über Germersheimer lustig, obwohl der gerade Feng Shui entdeckt hatte und seine Bude auf den Kopf stellte, in der nicht mehr sauber gemacht worden war, seit seine Frau ihn verlassen hatte.
    »Er ist ein armes Schwein – wie wir alle«, erklärte Pfeifenberger weise.
    Schmalenbach staunte. »Was ist mit dir, Pfeifenberger?«
    »Ach, lass!«, sagte Pfeifenberger und bestellte einen Äppelwoi.
    »Das ist Trauerarbeit«, flüsterte Germersheimer.
    Pfeifenberger bekam seinen Äppelwoi. Er trank nur einen Schluck. Dann bezahlte er und ging.
    Schmalenbach holte ihn an der nächsten Kreuzung ein. Er packte ihn an der Schulter. »Sag endlich, was los ist!«, fuhr er ihn an.
    »Nichts, Blödmann«, sagte Pfeifenberger und ging weiter. Doch nach wenigen Schritten schlug er die Stirn gegen ein Schaufenster und brach in Tränen aus.
    »Carola!«, schluchzte Pfeifenberger.
    »Will sie dich verlassen?«
    »Quatsch. Mich hat noch keine Frau verlassen. Sie sagt, so geht’s nicht mehr weiter.«
    »Aber das sagen doch alle Frauen, Pfeifenberger.«
    »Ja, aber sie meint es ernst. Bei uns zu Hause ist Totentanz. Sie verlangt, dass ich mich grundsätzlich ändere.«
    »Geht es um … Sex?«
    »Das wäre einfach, sexuell habe ich sie völlig im Griff. Nein, es ist das alte Problem. Der Stein des Anstoßes zwischen Männern und Frauen seit Hunderttausenden von Jahren …«
    »Du gibst ihr zu wenig Geld?«
    »Carola hat alles, was sie will. Sie trinkt sogar Kaffee mit Verwöhnaroma.«
    »Aber was wirft sie dir vor, Pfeifenberger?«
    »Eine ziemlich peinliche Sache. Peinlich für Carola. Weil es so kleinlich ist. Ich meine, wer hält denn den Haushalt am Laufen? Sie oder ich? Sag du, Schmalenbach!«
    »Die Antwort liegt doch auf der Hand«, behauptete Schmalenbach klamm.
    »Das habe ich ihr auch gesagt. Baby, habe ich gesagt, hör auf zu jammern! Du hast keinen Grund. Wer programmiert den Videorecorder? Wer mixt die Maibowle? Du oder ich? Aber sie hat die unglaubliche Behauptung wiederholt: Ich würde meinen Anteil zur Hausarbeit nicht leisten. Mach dich doch nicht lächerlich, habe ich gesagt. Aber sie … Du müsstest hören, mit welchen Rabulismen sie immer wieder ihren Hals aus der Schlinge zieht. Ich würde nie den Müll raustragen und nicht einkaufen. Nicht putzen und fegen,

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