Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen
dir vor, es erregt sie auch noch.«
»Es erregt sie?«, schrie Schmalenbach. »Entwürdigend ist das. Carola tut mir leid.«
Elke kaute Chips und sah die Tagesthemen. »Warum machen wir nie so was?«
»Was?!« Schmalenbach traf ein Stich mitten ins Herz.
»Na ja, diese … wie heißt das … Rollenspiele.«
»Mensch, Elke: Weil wir uns selbst genug sind.«
»Willst du nicht auch mal eine Seite von dir erleben, die du noch nicht kennst?«
»Elke, mir graut vor dir.«
»Früher warst du anders …«
Schmalenbach glaubte es nicht. Seine Elke!
Andererseits verspürte er aber auch ein Prickeln, eine innere Unruhe, eine Aufwallung …
»Gut!«, sagte er und stand auf. Seine Knie zitterten.
»Du willst es also wissen. Dann komm!«
Elke aß ihre Chips auf, dann stand sie plötzlich in der Schlafzimmertür, die rechte Hüfte unternehmungslustig angewinkelt. »Na, Süßer, hast du Lust?«
Schmalenbach nickte heftig.
»Erst die Kasse, dann der Sex!«
Schmalenbach nestelte an seiner Börse. Seine Finger zitterten. Andächtig legte er den Fünfziger auf den Nachttisch. »Bitte.«
Doch Elke lachte ihn aus. »Baby, ich bin kein billiges Straßenmädel.«
»Aber Pfeifenberger zahlt auch nur …«
»Seine Carola verdirbt die Preise. Wenn du Allerweltssex willst, dann geh doch zu ihr!«
Schmalenbach schob zaghaft einen Zwanziger nach.
»Bei mir geht die Luzie erst ab 200 ab. Dann aber richtig«, versprach Elke.
Schmalenbach kratzte all sein Bargeld zusammen. Es waren 185,60 Euro. Elke steckte es ein. »Das nächste Mal denkst du an die 14,40 Euro. Ich geh schon mal ins Bad. Mach’s dir inzwischen bequem!«
Schmalenbach wurde immer heißer. Pfeifenberger war wirklich ein Genie, ein Genie der männlichen Seele.
Elke roch gut. Verrucht. »Was ist das für ein erregender Duft?«, fragte Schmalenbach.
»Nivea-Creme«, antwortete Elke, und dann professionell: »Und? Was darf s heute sein?«
Darüber hatte sich Schmalenbach noch gar keine Gedanken gemacht. Was für ein Gefühl! Er hatte das Sagen. Er konnte sich endlich das wünschen, was er sich bisher verkniffen hatte. Kein Widerspruch. Keine endlosen Diskussionen. Keine überzogenen Erwartungen. Es war der Himmel. Diese Macht. Diese Verfügbarkeit. Schmalenbach verstand jetzt vieles besser.
»Vielleicht was Akrobatisches?«, fragte Elke.
Nein, er zahlte doch keine 200 Euro für Turnübungen.
»Oder soll ich dich schlagen?«
Bitte, bitte nicht.
Elkes Stimme wurde ganz sanft. »Du möchtest sicher reden? Tu es! Sprich dich aus!«
Reden? Worüber? Über die 200 Euro, die in Elkes BH steckten – dafür hätte er seinen Computer aufrüsten können. Nein. Er wollte es tun. Jetzt. Elke sollte es tun. Aber was?
Schmalenbach dachte angestrengt nach. Er spielte bekannte Variationen durch. Keine war gut genug für die 200 Euro. Es musste etwas ganz und gar Verkommenes, Perverses, Abgefahrenes sein. Es musste alles in den Schatten stellen, was Pfeifenberger von Carola für seinen läppischen Fünfziger verlangte.
»Hast du denn eine Idee?«, fragte Schmalenbach irgendwann mutlos.
Elke antwortete nicht. Sie schnarchte bereits.
Schmalenbach löschte das Licht.
Das nächste Mal sollte Elke gefälligst dafür zahlen. Aber das würde teuer werden, schwor Schmalenbach sich.
Der Durchbruch
Schmalenbach erwachte, schaute an die Decke und fragte sich, ob er glücklich war.
Nein, er war nicht glücklich.
Er war auch nicht unglücklich. Aber zum Glück, was immer das auch sein mochte, fehlte ihm doch noch etwas Entscheidendes. Was, das wusste er nicht genau.
Die Beziehung mit Elke? Es war nicht das, was man in Hollywoodfilmen sah. Aber wer wollte schon den ganzen Tag, die ganze Woche, über Monate hinweg herzzerreißende Konfusionen und schweißtreibenden Sex? Nein, an Elke lag es nicht, auch wenn Schmalenbach sich manchmal neben ihr vorkam wie ein Kriegsveteran.
Es war etwas anderes: In letzter Zeit machte Schmalenbach sich Sorgen um seinen Nachruhm. Natürlich ging es ihm nicht um irgendeine Sensation. Es ging ihm darum, in dem einen großen Buch zu stehen, in dem die wirklich wichtigen Dinge vermerkt werden.
Schmalenbach war realistisch. Pfeifenberger veröffentlichte in allen einschlägigen Kundenzeitschriften Cartoons – von der Fleischerinnung bis zum Zentralorgan des Bestattungswesens. Aber sein Ruhm dauerte nur von einem Sonderangebotsblatt zum nächsten. Und Germersheimer plagte sich mit dem Dreißigjährigen Krieg ab, aber niemand las ihn – um
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