Die Schlüssel zum Königreich 01 - Schwarzer Montag
Feueralarm schrillte noch immer, und die Sirene gab ihr gleichmäßiges »Huuu-huuu« von sich. Draußen wurden andere Sirenen laut, als die Feuerwehrwagen sich der Schule näherten.
Arthur stand langsam auf und blickte um sich. Er befand sich am hinteren Ende der Mensa, genaugenommen im Angestellten- und Lieferanteneingang zur Küche. Niemand war da, aber das Essen war erst halb fertig, Zutaten lagen griffbereit, die Töpfe dampften und die Mikrowellenplatten drehten sich: Das Küchenpersonal hatte die Mensa beim Feueralarm verlassen.
Er schaute durch die offene Tür zurück zu den Bringern. Sie waren still und hatten sich in Reihen aufgestellt. Irgendwie hatten sie ihre Melonen wiederbekommen, und ihre schwarzen Anzüge sahen aus wie immer. Und sie sahen wieder mehr wie hässliche Menschen aus und weniger wie Hunde.
Einer von ihnen trat vor, öffnete den Mund und entblößte sein Hundegebiss. Dann gab er wiederholt ein merkwürdiges Grunzen von sich. Arthur brauchte einen Moment, bis er erkannte, dass es ein Lachen sein sollte. Aber welchen Grund konnte dieser Bringer dafür haben?
Dann sah er, was die Kreatur in den dicken Fingern mit den langen Nägeln hielt: den Atlas! Arthur griff wie der Blitz an seine Hemdtasche und hatte einen Stofffetzen in der Hand. Die Tasche war abgerissen worden, als sie ihn vorhin bei der Bibliothek beinahe erwischt hatten! Auch seine Brust hatte einige Kratzer abbekommen, was er zuerst gar nicht bemerkt hatte. Die Stellen taten jetzt weh. Allerdings nicht so sehr wie der Verlust des Atlas.
Jetzt begannen alle Bringer zu lachen, falls man dieses an- und abschwellende Grunzen überhaupt so nennen konnte. Arthur wich zurück, als ihm ihr stinkender, Übelkeit erregender Atem entgegenschlug. Sie glaubten offensichtlich, dass sie etwas sehr Wichtiges ergattert und damit einen Sieg errungen hatten.
Niedergeschlagen musste Arthur sich eingestehen, dass sie damit Recht hatten. Wenn er jemals herausfinden wollte, was eigentlich vor sich ging, dann brauchte er den Atlas. Also musste er ihn zurückbekommen. Was hatte der Atlas über die Bringer gesagt? Sie konnten keine Schwellen überschreiten und …
Salz! Arthur drehte sich zu den Küchenregalen um. Hier musste es doch Salz geben, und wahrscheinlich nicht zu wenig! Es war eine große Küche, und er lief die Regale entlang, den Schlüssel fest in einer Hand, während er mit der anderen Säcke herumdrehte und Behälter verschob. Zucker, vier verschiedene Sorten Mehl, alle möglichen Gewürze, Reis und Nudeln, getrocknete Früchte … Salz!
Da war es: ein großer Becher gewöhnliches Salz und ein kleines Säckchen Steinsalz.
Arthur zögerte, dann steckte er den Schlüssel wie einen Dolch in seinen Gürtel. Sobald er ihn losließ, spürte er sein Asthma wiederkommen. Die tiefen Atemzüge der letzten Augenblicke waren Vergangenheit, doch er fühlte immer noch eine gewisse Erleichterung durch den Schlüssel. Vielleicht war ihn in der Nähe zu haben besser als gar nichts!
Er steckte das Steinsalz in seinen Ranzen und hängte ihn sich wieder um, dann nahm er den Becher und riss den Deckel herunter. Er war zu zwei Dritteln mit feinem weißen Salz gefüllt. Arthur ergriff eine Faustvoll Salz.
Dann marschierte er zurück zur Tür, ein wenig keuchend und schnaufend, aber bereit für die Schlacht. Wenn er sie überraschen könnte, dachte er, und der vordersten Reihe das Salz überwarf, könnte er sich vielleicht im Sprung den Atlas schnappen, während … nun, während geschah, was auch immer das Salz mit ihnen anstellen mochte.
In seinem Hinterkopf tauchte sofort eine zweifelnde Frage auf: Was, wenn das Salz sie nur noch mehr reizte und sie ihn packen und in Stücke reißen würden, sobald er durch die Tür sprang?
Arthur beantwortete sich diese Frage nicht, sondern zwang sich, sich auf das Nächstliegende zu konzentrie ren: den Atlas zurückzubekommen. Sobald das erledigt war, konnte er immer noch Fragen stellen.
Diese Gedanken rasten durch seinen Kopf, als er das Ende der Regale erreichte. Er schluckte, holte so tief Luft, wie er konnte, und sprang durch die Tür, wild schreiend und mit Salz um sich werfend.
»Jahhhhh!«
K APITEL S IEBEN
D
as Salz regnete über die vorderste Reihe der Bringer. Sofort verstummte ihr Gelächter, und ein bestürztes Jaulen und Winseln setzte ein. Wenn das Salz sie traf, schrien sie auf und fielen bei ihren panischen Fluchtversuchen übereinander; Augenblicke später waren sie nur noch eine
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