Die Schlüssel zum Königreich 01 - Schwarzer Montag
ich hab vierzehn Monate darin festgesessen. Aber heute läuft es gut.«
»Vierzehn Monate! Da hättest du doch sterben müssen!«
Susi schüttelte den Kopf. »Es ist nicht leicht, im Haus zu sterben. Man kann nicht verdursten oder verhungern, obwohl man fürchterlich hungrig werden kann. Man kann zwar getötet werden, aber selbst das ist nicht einfach. Klar, es gibt Schmerzen, und man kann schrecklich leiden, aber Verletzungen, die normalerweise tödlich sind, sind es hier nicht immer, wenigstens nicht für die Bürger und vielleicht auch nicht für uns Kinder des Pfeifers, obwohl ich das ganz bestimmt nicht ausprobieren werde. Ein Bürger kann sogar seinen Kopf abgeschnitten bekommen; wenn er ihn schnell genug wieder aufsetzt, kommt er nach einer Weile wieder in Ordnung. Aber die Waffen der Portiers können töten, und Feuer, wenn es heiß genug ist, und die Nichtlinge … ein eiternder Biss oder Kratzer von einem Nichtling, und du löst dich in Nichts auf. Deshalb hat jeder Angst vor ihnen.
Aber an Krankheiten kann man hier nicht sterben; man kann nicht einmal krank werden. Nicht richtig krank, so mit Fieber oder Durchfall oder Keuchhusten. Es ist modern, Erkältungen und Schnupfen zu benutzen, die aus den Reichen eingeführt werden. Aber sie sind für gewöhnlich in einem Zauberspruch, den man abschütteln kann, oder in etwas, das man isst und das nur eine Weile vorhält; man bekommt nur Schnupfen oder Husten oder rote Augen, krank fühlt man sich nicht. Auch muss niemand essen oder trinken. Der Tee ist nur eine Mode, man trinkt ihn zum Vergnügen oder um anzugeben. Auch das macht keine Unannehmlichkeiten, weil man nicht … du weißt schon … keine Toiletten im Haus, keine nötig.«
»Wie lange bist du schon hier?«, fragte Arthur. Er spürte einen leichten Schwindel von all dem neuerworbenen Wissen.
»Weiß nich«, antwortete Susi achselzuckend. »Liegt am Waschen zwischen den Ohren. Außerdem ist Haus-Zeit anders.«
»Haus-Zeit ist wahre Zeit«, psalmodierte das Vermächtnis. »Zeit in den Sekundären Reichen ist bis zu einem gewissen Grad formbar, zumindest nach hinten. Vergiss das nicht, Arthur; es könnte nützlich sein. Gliep.«
»Was? Gliep?«
»Dieses Frosches Körper wurde aus Nichts erschaffen. Er ist zwar nur die Nachbildung einer Jadeskulptur aus deiner eigenen Welt, doch hat ihn der Grausame Dienstag selbst geformt; deshalb ist viel von seiner Froschheit und der Stärke des ursprünglichen Steines auf ihn übergegangen. Es ist schwierig, eine solche Form zu bewohnen; vergiss auch dies nicht, Arthur …«
»Moment mal«, unterbrach ihn Arthur und holte tief Luft. »Über ein paar Dinge möchte ich mir mal Klarheit verschaffen. Warum haben Sie mich ausgewählt, dieser Rechtmäßige Erbe zu sein? Warum habe ich den Schlüssel und den Atlas bekommen – mit dem sich übrigens die Bringer aus dem Staub gemacht haben?«
»Zufall und äußere Umstände«, erwiderte das Vermächtnis. »Ich werde dich mit der Lage vertraut machen. Vor zwölf Tagen – gemessen an dem Fluss der Zeit im Haus – ist es mir gelungen, mich von den Fesseln und Beschränkungen zu befreien, mittels deren ich auf einem fernen Stern gefangen gehalten wurde. Ich gelangte zum Haus und konnte mit Hilfe einer List in den Geist von Nieser eindringen, Herrn Montags Butler und Faktotum. Aus Nieser heraus verführte ich Montag, den Schlüssel einem Sterblichen zu geben, der bald sterben sollte. Er glaubte, nachdem er den Schlüssel abgegeben hätte, wä ren die Bedingungen des Vermächtnisses erfüllt, und er wäre somit vor jedweder Vergeltung durch die Kräfte von Rechtschaffenheit und Gesetz geschützt und könnte den Schlüssel dann zurückfordern. Mit diesen Kräften meine ich mich und die anderen Teile des Vermächtnisses, die vielleicht noch ihrer Haft entkommen mögen. Was dann passiert ist, weißt du ja selbst ganz genau, denke ich.«
»Aber warum ich? Und warum wollten Sie, dass ein Sterblicher den Schlüssel hat?«
»Es war reiner Zufall, dass gerade du ausgewählt worden bist. Von der Architektin steht es geschrieben, dass nur ein Sterblicher der Rechtmäßige Erbe sein kann«, fuhr das Vermächtnis fort. »Ich bin einfach die Aufzeichnungen derer durchgegangen, die an einem leicht zugänglichen Montag sterben würden. Ich wollte jemanden, der geistig flexibel ist; jung und nicht übermäßig abergläubisch oder streng religiös; das schloss eine sehr große Zahl Montage aus dem, was du Geschichte nennst, aus. Und ein
Weitere Kostenlose Bücher