Die Schlüssel zum Königreich 01 - Schwarzer Montag
Montag musste es sein, damit Herr Montag und ich selbst – als Nieser, versteht sich – in der Lage sein würden, in deine Welt einzutreten.«
»Ich war tatsächlich im Begriff zu sterben?«, fragte Arthur langsam. Das war ein neuer Schock. »An einem Asthmaanfall?«
»So ist es«, bestätigte das Vermächtnis. »Aber indem du den Schlüssel nahmst, wurden die Aufzeichnungen verändert.«
»Ich verstehe nicht.«
»Es ist ziemlich einfach, Arthur. Hör gut zu! Jede Aufzeichnung im Haus, sei sie auf Stein oder Metall, Papyrus oder Papier, steht in enger Verbindung mit dem, was sie in den Sekundären Reichen aufzeichnet. Wenn sich dort etwas ändert, dann auch die Aufzeichnung. Wenn du die Macht hast, kannst du kommende Veränderungen vorhersehen, und dann ist es möglich einzugreifen. Aber umgekehrt wirkt es auch. Wenn eine Aufzeichnung hier verändert wird, dann wird diese Veränderung bei der betreffenden Person, dem Ort oder dem Gegenstand auftreten.«
»Sie meinen, wenn jemand meine Aufzeichnung so verändern würde, dass sie von meinem Tod berichtet, dann würde ich sterben?«, fragte Arthur.
»Zuerst müsste er deine Aufzeichnung einmal finden«, warf Susi ein. »Die Chancen stehen echt riesig: Ich suche schon seit Jahrhunderten nach meiner – soweit ich mich daran erinnern kann. Und genauso die anderen Kinder, und keine einzige ist jemals aufgetaucht!«
»Die Aufzeichnungen sind in einem beklagenswerten Zustand, das ist richtig. Aber es haben nur sehr wenige Bewohner des Hauses die Macht, sie zu verändern«, erklärte das Vermächtnis. »Natürlich können die Schlüssel benutzt werden, um beinahe jede Aufzeichnung zu ändern, und einige Amtsinhaber besitzen geringere Macht. Doch es verstößt gegen das Ursprüngliche Gesetz und den Zweck des Hauses, der darin besteht, die Sekundären Reiche zu bewahren und aufzuzeichnen, und NICHT SICH DARIN EINZUMISCHEN!«
»Au!«, riefen Arthur und Susi gleichzeitig und hielten sich die Ohren zu.
»Deine Leute tragen zumindest teilweise Schuld daran«, sagte das Vermächtnis traurig und deutete mit einem grünen klebrigen Finger auf Arthur. »Niemand war versucht, sich einzumischen, als ihr nur Ursuppe wart. Aber kaum verstreichen ein paar Millionen Jahre, und diese Einzeller werden plötzlich sehr interessant. Und deine Leute sind so kreativ! Wenn sich doch nur die Architek tin nicht entschieden hätte, wegzugehen …!«
»Was wäre mit mir passiert, wenn ich gestorben wäre?«, erkundigte sich Arthur.
»Du wärst tot«, antwortete das Vermächtnis. »Was meinst du?«
»Ich meine …« Arthurs Stimme verlor sich; er wusste nicht, was er meinte. »Wo bin ich jetzt? Gibt es irgendein Leben nach dem Tod? Wenn die Architektin alles erschaffen hat …«
»Ich weiß von keinem Leben nach dem Tod«, sagte das Vermächtnis. »Es gibt das Nichts, aus dem einst alle Dinge gekommen sind. Es gibt das Haus, das ewig ist. Es gibt die Sekundären Reiche, die schnell vergänglich sind. Wenn du die Sekundären Reiche verlassen hast, dann war es das, obwohl einige behaupten, dass am Ende alles zum Nichts zurückkehrt. Die Aufzeichnung vermerkt dein Ableben und ist auch tot, wenngleich sie für archivierende Zwecke aufgehoben wird.«
»Verloren und vergessen, heißt das«, sagte Susi mit einem verächtlichen Schnauben. »Man sollte nicht glauben, wie hoffnungslos sie sind! Moment mal – wir werden langsamer. Sind fast da. Haltet euch gut fest!«
K APITEL Z WÖLF
A
rthur umklammerte den Handgriff, als der Aufzug plötzlich langsamer wurde und durch eine Reihe von abrupten Bremsmanövern erschüttert wurde, die seine Insassen zuerst an die Decke und dann auf den Boden zu schleudern drohten. Danach fuhr er ein paar Sekunden ruckfrei, lange genug für Arthur, um sich zu entspannen, und blieb dann unvermittelt stehen, wobei es ihm diesmal gelang, die beiden Kinder gegen die Wand zu werfen. Das Vermächtnis blieb dank der Saugnapfzehen seiner Froschgestalt sicher am Haltegriff kleben.
Arthur rappelte sich etwas langsamer auf als Susi, die bereits die Aufzugtür aufschob. Er hatte erwartet, ein Büro vorzufinden ähnlich dem, durch das sie unten im Atrium gerannt waren: alles aus dunklem Holz, Tischüberzüge aus grünem Leder und Gasleuchten. Bei dem Anblick, der sich ihm stattdessen bot, klappte ihm die Kinnlade herunter.
Hinter der Aufzugtür lag ein schattiges Gehölz aus sehr hohen und sehr dicken Bäumen. Sie bildeten einen Kreis um einen nachlässig
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